Mittwoch, 23. Oktober 2013

Gyumri

Es ist Zeit, dass ich von Gyumri berichte.
Schließlich ist das die Stadt, in der ich die meiste Zeit verbringen werde, in der ich arbeiten und leben werde. Auch, wenn ich die letzten Wochenenden und den Anfang meines Armenienabendteuers in Yerevan verbracht habe. Zugegeben, die Stadt gefällt mir. Und ich werde bestimmt öfter dorthin fahren.

Aber nun zu Gyumri:
Sie ist mit knapp 170 000 Einwohnern die zweitgrößte Stadt Armeniens und hat mit dem großen Erdbeben von 1988 einen schweren Schicksalsschlag hinter sich, den sie immer noch nicht wirklich verarbeitet hat. Man findet in der Stadt eine Vielzahl an Kirchen und historischen Kulturdenkmälern, die zwischen zerstörten Häusern und auf kaputten Straßen stehen.

Die Folgenden Bilder sollen einen kleinen Eindruck von der Stadt vermitteln.




















Ich habe mir sagen lassen, dass die Bewohner Gyumris zu der hart arbeitenden Bevölkerung gehört, ehrlich und traditionell, wo hingegen in der Großstadt Yerevan eher die "Weichlinge" zu finden sind. Das habe ich mir nicht ausgedacht, dass wurde mir von einer waschechten Gyumrianerin versichert.
Und in der Tat musste ich feststellen, dass das Leben in Gyumri in anderen Bahnen verläuft als in Yerevan. Die meisten Läden schließen gegen 18 Uhr und ab 19 Uhr ist die Stadt fast leer. Am Tage herrscht allerdings reges Treiben um den Bazar, den Hauptplatz und in der Fußgängerpassage. Wobei man sagen muss, das Letztere gefühlte 100 m lang ist. Also wirklich klein.

Die beiden ersten Worte, die mir einfallen um Gyumri zu beschreiben, sind kalt und dunkel. Die genaue Temperatur habe ich nicht im Kopf, die kann ja jeder im Netz nachschauen, aber im Vergleich zu Yerevan sind es 10 bis 15 Grad Celsius kälter. Vor allem morgens und abends weiß man nicht wirklich, was man anziehen soll, denn über Tag wird es dann wieder mollig warm. Ein Hin und Her.

Im Moment lebe ich noch bei einer Familie. Silva, George und Lucy haben mich aufgenommen und bis Anfang oder Mitte nächsten Monats lebe ich hier. Sie betreiben einen kleinen Shop, der von 8 bis 24 Uhr geöffnet hat, und ich gehe fast jeden Tag abends zu George in den Shop und verliere haushoch im Backgammon. Silva, die Mutter, versorgt mich mit vielerlei Köstlichkeiten und Tochter Lucy versucht beim Übersetzen zu helfen.

George
Miss Silva
Lucy
In Gyumri werde ich nun auch arbeiten. Hauptsächlich bin ich im Gyumri Social Childcare Centre. Diese Organisation sucht mit Hilfe von Sozialarbeitern in den Schulen nach Kindern aus prekären Verhältnissen. Gemeinsam mit Psychologen, Lehrern, Ärzten und Logopäden wird dann entschieden, ob das Kind in die Organisation aufgenommen wird. Aber sie bleiben nicht bei den Kindern stehen. Wenn sie herausstellt, dass die Eltern einen erheblichen Teil des Problems sind, arbeitet die Organisation auch mit den Eltern. Es geht also um die ganze Familie.



Meine Aufgaben in der Organisation werden sein, dass ich bei der Hausaufgabenhilfe für die Englisch- und Deutschhausaufgaben zuständig sein werde. Ich werde ein einstündige Gruppenarbeit in Deutsch sowie Englisch einmal pro Woche abhalten und ich soll PR-Arbeit für die Organisation betreiben. Bei Letzterem weiß ich nicht, ob sie sich das so gut überlegt haben, aber ich tu mein Bestes. Viel gearbeitet habe ich bis jetzt noch nicht. Die vorbereitende Organisationen sind doch etwas schleppend vorangegangen. Und momentan bin ich krank bei La Familia. Eine kleine bis mittlere Erkältung hat mich niedergestreckt, sodass es eh keine gute Idee ist mit Kindern zu arbeiten. Ich werde mit heißem Tee versorgt und versuche in der Zwischenzeit etwas armenisch zu lernen.

Leider habe ich noch keine offiziellen Armenischstunden, aber ich weiß, man arbeitet dran.

Es gibt auch hier viel zu entdecken, in der Stadt und im Umland und ich werde viel zu berichten haben.

Mittwoch, 16. Oktober 2013

Armenische Anekdoten I

Wir sind es gewöhnt, die Rechnungen für Wasser, Strom etc. per Bankeinzug oder Überweisung zu bezahlen. Heute konnte ich erleben, wie man seine Rechnungen dieser Art in Armenien begleicht.

Man geht mit seiner Adresse in einer Bank, oder eine Post, und dort wird einem dann gesagt, was man den Monat an Gas, Wasser und Strom verbraucht hat. Dann bezahlt man vor Ort…meistens wohl bar.

Ich war heute mit einer Gruppe Freiwilliger dabei, wie diese ihre Rechnung bezahlen wollten. Die Bank war brechend voll, man musste Nummern ziehen und dann warten. Ich habe 30 Minuten gewartet bis die Leute dran waren. Da waren die aber schon eine Stunde an der Bank. Als sie dann endlich an der Reihe waren, dauerte es noch einmal gute 45 Minuten, bis die Rechnung beglichen war.

Was braucht man also in Armenien? Richtig – Geduld!

Geburtstag, Garni und Geghard


Eigentlich bin ich schon Gyumri angekommen, habe meine Familie, in der ich untergebracht bin, kennengelernt und mir schon meine beiden Arbeitsplätze angesehen. Ab Dienstag um 10 Uhr ist dann auch Schluss mit Urlaub und der Ernst des Lebens beginnt.

Das Wochenende habe ich aber noch einmal in Yerevan verbracht.
Die Stadt hatte nämlich Geburtstag. Um genauer zu sein, ist die alte Lady 2795 Jahre alt geworden und ist somit die zweitälteste Stadt hinter Aleppo. Die Party wollte ich mir aber nicht entgehen lassen, also bin ich Freitag von Gyumri nach Yerevan gefahren.


"The Companion of my Heart" – ja, es war eine Mottoparty

Samstag war die Stadt brechend voll und das Showprogramm war sehr dicht geplant und in der ganzen Stadt verteilt. Von den 1,3 Millionen Einwohnern waren ALLE auf den Beinen und ich denke mal, dass auch viele Menschen aus den umliegenden Städten und Dörfern angereist waren.

Die Menge vor dem Rathaus




Die ganze Stadt war rot blau orange geschmückt und in den Straßen hörte man die ganze Zeit "YEREVAN, YEREVAN" oder "HAYASTAN; HAYASTAN" Rufe. Die Armenien verstehen es sich zu feiern, und das nicht zu knapp. Um 14 Uhr begann eine bombastische Show vor dem Rathaus, mit allem was man sich so denken kann. Explosionen, Luftballons, Tauben und Glitzer. Da es Nachmittags war, hatte man kein Feuerwerk, sondern eine Art Mehlbomben in die Luft geschossen. 

Vor dem Rathaus war jeder Sport- und Tanzverein, den Yerevan aufbieten kann, vertreten und in einheimischen Kostümen wurden zur Ehren der Stadt unterschiedliche Tänze dargeboten.

Wir, die Freiwilligen, sind durch die geschmückten Straßen gezogen und haben uns von den unterschiedlichsten Attraktionen unterhalten lassen. Wie immer, viel zu viel um alles auf- und wahrnehmen zu können, aber es war ein beeindruckendes Spektakel. Abends wurde auf dem Platz der Republik natürlich ein grandioses Feuerwerk gezündet und mit italienischem Schlager wurde die Nacht ausgetanzt. 

Für den Sonntag war wieder Sightseeing angesagt.

Diesmal aber nicht in der Hauptstadt, sondern im Umland. auf dem Plan stand der Tempel in Garni und das Kloster Geghard. Ich kann es wohl nicht im geringsten in Worte fassen und möchte deswegen hier nur schemenhafte Eindrücke mit einer kleinen Auswahl an Bildern vermitteln.

Der Tempel in Garni:





Und hier das Kloster Geghard:




Khashkar - einzigartige Steinkreuze



Und natürlich habe ich diese Tour nicht alleine unternommen, deswegen noch mal alle Protagonisten in Reih und Glied vorgestellt:

v.l.n.r. – Margo, Hayek, Fleur, Beuteltier und Lidia (der Chauffeur hat das Bild geschossen)




Montag, 7. Oktober 2013

Sightseeing ohne Ende

Wie das so ist, wenn man eine unbekannte Stadt, ein fremdes Land bereist, ist man die ersten Tage damit beschäftigt, sich die neue Umgebung zu erschließen. Gerade in einer Stadt wie Yerevan gibt es scheinbar unermesslich viel zu entdecken. 
Deswegen war ich die letzten drei Tage damit beschäftigt, mir so viel wie möglich anzusehen.

Freitag:

Dieser Tag war ganz für die Bildung reserviert. Von den vielen Museen, die Yerevan zu bieten hat, wollte ich mir zwei genauer ansehen. Mehr ist, denke ich, nicht drin, wenn man sich etwas behalten möchte. Meine Wahl viel auf das Museum der Stadt Yerevan und das Museum für armenische Geschichte. Im Gebäude des Letztgenannten ist auch die Nationalgalerie untergebracht, also, drei Fliegen mit zwei Klappen.
Das Yerevanmuseum sollte um 11 Uhr öffnen. Pünktlich 10:53 Uhr stand ich davor. In der Eingangshalle konnte ich die letzten Minuten Teppiche bestaunen. Leider wurde mir dann gesagt, dass das Museum geschlossen sei für den heutigen Tag. Ok. Nicht ok, aber ok.
Also bin ich einfach die Straße hochgelaufen, zum Platz der Republik, wo sich das Museum der Armenischen Geschichte und die Nationalgalerie befinden. 

Platz der Republik - geradezu das Museum und die Galerie
Leider darf man in dem Museum keine Photos machen, aber Armenische Geschichte geht weit weit zurück und die Exponate zur Frühgeschichte waren atemberaubend. Unglücklicherweise waren die meisten Beschreibungen auf Armenisch, sodass es schwierig (eigentlich unmöglich) war, zu verstehen. Aber der clevere Geschichtsstudent weiß natürlich woher er die nötigen Informationen bekommt und wird das im Selbststudium nachholen. 

Die Nationalgalerie war … da fehlen einem die Worte. Das erste, was mir dazu einfällt ist, "zu viel". Eine Ausstellung, die sich über acht Etagen erstreckt und eine Unmenge an Gemälden für die Besucher bereithält. Beeindruckend war es allemal. Vor allem die Etagen, welche sich ausschließlich mit armenischen Künstlern befassten waren großartig. Aber "zu viel" ist eben zu viel und deswegen werde ich die Ausstellung noch einmal besuchen gehen. Ich bin ja noch eine Weile hier.

Unweit des Museums befindet sich die St. Gregory the Illuminator Cathedral. Ein beeindruckender, für meinen Geschmack aber nicht schöner Bau. Aber Kirche ist Kirche und der Innenraum war in seiner kargen Klarheit schon imposant. Außerdem durfte ich einer Hochzeitszeremonie beiwohnen. Jeder, der zu diesem Zeitpunkt in der Kirche verweilte, blieb auch sitzen um sich das Brautpaar anzusehen. Soweit ich weiß, ist das in Deutschland nicht üblich. Berichtigt mich, falls ich mich irre.

St. Gregory the Illuminator Cathedral
Samstag:

Das Wochenende wurde von mir erstmal ganz unspannend mit alltäglichen Tätigkeiten eingeleitet. Nach dem Frühstück war ich in VAS einkaufen. Ein Supermarkt, der alles zu bieten hat, was man so braucht (und in dem man nicht mit den Verkäufern reden muss, weil die Preise ja dran stehen … Armenischer Sprachkurs! Wo bist Du?) und wir brauchten dringend Reinigungsmittel für Bad und Küche sowie Waschmittel. Also alles eingekauft und zurück zum Bunker (Erklärung folgt), habe ich mich nach einer zweiten Tasse Kaffee ans Badputzen gemacht. Glaubt mir, es war nötig. 

Nach dem das geschafft war, stand auf einmal Thomy in der Tür. Ein Franzose, der in Gyumri sein Projekt hat und wegen eines Kunstfestivals übers Wochenende nach Yerevan gekommen ist. Da ich ab Mittwoch auch in Gyumri sein werde, hatte ich natürlich eine Menge Fragen und wir haben uns auf Anhieb blendend verstanden. Nach einem gemeinsamen Mittag, sind wir beide dann auch noch mal in die Innenstadt zu den Kaskaden gelaufen. Warum noch einmal? Ganz einfach, weil ich längst nicht alles gesehen hatte und Thomy mir erzählte, dass in dem Gebäudekomplex auch eine Ausstellung zu besichtigen ist. Ihr habt ja schon die Bilder der Kunstgegenstände gesehen – es ist nicht mal im Ansatz alles, was es zu bestaunen gibt und die Auswahl der Bilder für Euch fällt mir mehr als schwer. 

Blick von den Kaskaden auf Yerevan

Nach drei Stunden Kunst und Kultur ging es zurück in unsere Herberge und dann hieß es – NIGHTLIFE! 

Wir sind dann zu viert losgezogen und jeder meinte, er kenne eine Bar oder einen Club, in den wir unbedingt gehen müssten. Also habe ich mich einfach dran gehängt und war gespannt. Die Show, die wir uns eigentlich ansehen wollten, hatten wir verpasst, weil wir den Weg nicht fanden, also habe wir unser Beisammensein gleich in die erste Bar verlegt. Das Hemmingways ist ein kleiner toller Laden gewesen und es war schön, mal nicht alleine, sondern in Gesellschaft unterwegs zu sein. Nun zu fünft, ging es danach weiter in einen armenischen Club. Man können die Party machen. Der DJ war gut drauf und die Leute hatten Spaß, wir hatten Spaß. 
Auf einmal waren wir nur noch zu dritt, und unsere letzte Station sollte "That Place" sein. Ein Club, der im Inneren eines Parkhauses ist. Kellergeschoß natürlich.

Die Nacht war großartig und das Nachtleben in Yerevan ist toll. Die Leute sind gut drauf und wenn man mit Ihnen Gespräch kommt (Falls…falls man mit Ihnen ins Gespräch kommt) dann sind alle sofort Dein bester Freund. Es war – AWESOME!

Im Hemmingways – v.l.n.r: Christian, Thomy, Lídia und Philipp (?)
Sonntag:

Nach Samstag Nacht hatte ich Lust wieder alleine eine Runde durch Yerevan zu drehen. Mit gepackten Sachen ging ich erst zur Vernisagge, ein Markt für Alles. Kunst, Schmuck, Bücher und vor allem … Schach- und Backgammonspiele. Auch hier muss ich gestehen, dass ich mich ein bisschen erschlagen gefühlt habe. So viele Sachen, dass ich gar nicht wusste, wo als erstes hinzusehen. I'll be back!

Die zweite Station für den Tag sollte das Genozidmuseum werden. 
Der Weg dorthin war lang und ich nutzte die Gelegenheit Yerevan in mich aufzusaugen wo es nur ging. Meistens war es Autoabgas! Aber es war abendteuerlich und die letzte halbe Stunde des Weges ging es nur bergauf. Aber so richtig.

Der Genozid an den Armeniern ist ein Historisches Ereignis, welches bis heute nicht wirklich verarbeitet ist. Das Museum und die Gedenkstätte ragen mächtig und mahnend auf dem Berg, auf dem sie sich befinden, und man fühlt, dass es nicht angenehm sein wird, wenn man oben ankommt. 
Der Rundgang durch das Museum war bespickt mit Bildern der schrecklichen Taten jener Jahre, sodass man den Raum eigentlich so schnell wie möglich wieder verlassen möchte. Es ist bedrückend. 

Die Gedenkstätte, eine Art steinerne Flamme, die in den Himmel ragt und in dessen Inneren ein ewiges Feuer brennt, ist ein Ort, an dem man das Gefühl bekommt, nicht wirklich hier sein zu dürfen. So ging es mir zumindest. Es war, als würde man mit der Besichtigung der ewigen Flamme das Andenken an die Opfer beschmutzend. Wieder ist erdrückend das passende Wort. Anders kann ich es nicht beschreiben.

Die Ewige Flamme
Das waren die letzten drei Tage, voll mit Sightseeing und Nachtleben.
Für heute ist meine erste Armenischstunde (Ah, da ist der Sprachkurs! Gefunden!) angesetzt und ein Besuch in der Deutschen Botschaft geplant. Die nächsten Tage werden auch mit Sightseeing verplant und am Mittwoch geht es dann nach Gyumri, wo mich, ausser meinem Projekt, auch eine andere Mentalität, eine ganz andere Stadt und noch viel mehr Kultur, Land und Leute erwartet.

Ich bin gespannt!

Donnerstag, 3. Oktober 2013

Kunst in Yerevan













Blick über Yerevan von den Kaskaden
Ich will es kurz machen.

Bis zum 08. oder 09. Oktober werde ich noch in Yerevan sein und dann erst nach Gyumri kommen, wo mich ja die Einrichtung erwartet, in der ich für ein Jahr arbeiten möchte.

Also genug Zeit um sich die Hauptstadt im Alleingang unsicher zu machen.
Das habe ich heute gemacht und die folgenden Bilder sind nur eine kleine Auswahl der Sachen, die ich mir angesehen habe.

Blaue Moschee



Die Kaskaden




Die Oper

Yerevan scheint eine Stadt der Gegensätze zu sein. Auf der einen Seite sieht man die vielen halbfertigen Hochhäuser, die kein schönes Stadtbild von oben ergeben. Auf der anderen Seite gibt es in der Innenstadt so viel Kunst und phantastische Architektur, dass man beim ersten Spaziergang gar nicht alles mitbekommt. 
Aus dem Grund wird es die nächsten Tage viele weitere Erkundungen geben – ich hab ja Zeit!

Vielleicht traue ich mich auch mal in einen von den kleinen Bussen, die hier fahren …