Freitag, 18. Juli 2014

Unterwegs nach Nagorno-Karabakh – Teil II


Da saßen wir nun also, an einer Weggabelung mitten in der Walachei von Nagorno-Karabakh. Wir waren natürlich froh schon so weit gekommen zu sein, ohne Problem und mit eine Menge Bilder im Kopf, die uns beiden wohl unvergesslich sind. Mit einer Tüte Sonnenblumenkerne, DextroEnergy und eine Zigarette machten wir erstmal Pause. Irgendwie hatten wir nicht da den Zeitdruck im Nacken und die so nahmen wir uns die Zeit und machten uns erstmal klar, was wir da bis jetzt gemacht hatten. Ohne Plan (zumindest keinen wirklichen) sind wir in sieben verschiedene Fahrzeugen bis über die Grenze (auch wenn dieses Wort es nicht wirklich beschreibt) gekommen. Na wenn das mal nichts ist. Schon ein Abenteuer. Und es war ja noch nicht zu Ende.

Nach der Rast machten wir uns wieder auf den Weg. Es ging ja nur in drei Richtungen und aus einer waren wir gekommen. Zum Glück war das Straßenschild sehr deutlich auf welchen Pfad wir uns zu begeben haben. Vor uns lag eine halb mit Schotter und halb im Schlamm versinkende Straße. Das einzige Anzeichen von Zivilisation war eine Baustelle mit nur einem Bagger nebst Führer, der wohl als einziger versuchte etwas aus der Straße zu machen was den Namen auch verdient hätte. Er machte einen guten Job und ein Hund war wohl sein treuer Begleiter und einziger Zuschauer. Ein älteres Paar war auch noch auf dem Weg Richtung Stepanakert, auch wenn wir uns sicher waren, dass diese beiden Seelen wohl irgendwo im Wald eine Hütte beherbergten. Diese wurden von gleich zwei Hunden eskortiert. Wir versuchten Freundschaft zu schließen, oder zumindest einen guten Eindruck zu hinterlassen indem wir Sonnenblumenkerne anboten, die aber dankend und mit einem Lächeln abgelehnt wurden. 

Der Weg war Schlangenlinien durch ein Tal. Die unterhalb steinernen und nach hoben hin immer grüner werden Berge wurde durch die Straße auf der wir gingen und einem Fluss, welcher auf unseren rechten Seite floss durchschnitten. Wir wussten nicht wirklich wie weit der Weg war, wo wir uns befanden und vieles mehr nicht. Aber wir hatten ja nicht wirklich eine Wahl und so liefen wir und liefen wir. Leider hatten wir irgendwie die Rechnung nicht mit dem Wetter gemacht. Ist ja auch Unsinn das Wetter zu checken bevor man einen solchen Trip antritt. Nun, die Wolken wurden, wie schon in Armenien, immer dunkler und plötzlich knallte ein riesiger Tropfen mir direkt auf die Nase. Wir waren zum Glück ein bisschen vorbereitet und kramten unsere Regenjacken aus unseren Rucksäcken und waren, zumindest für den Augenblick, gerettet. Was uns aber ein wenig Sorgen bereitete war die Tatsache, dass seit Stunden kein Auto an uns vorbei fuhr. Stimmt nicht ganz, ein paar Baufahrzeuge kamen uns entgegen, was aber nicht wirklich hilfreich war, da ja falsche Richtung und so. Die Rettung schien in Form eines Polizeiwagen von hinten an uns heran zu rollen. Sie hielten auch tatsächlich an, fragten uns wo wir hin wollten und woher wir denn kommen. Wir antworteten brav und dachten schon, dass wir jetzt die Chance hätten ein Stück schneller voran zu kommen. Aber nein, sie wollten nur unsere Pässe sehen. Und waren auch sehr gründlich in dessen Inspizierung. Mit einem Lächeln im Gesicht machten sie uns dann auch noch deutlich das sie nicht nach Stepanakert unterwegs seien sondern hier in der Gegend patrouillieren würden. Na danke auch.

Wettermäßig wurde es immer heikler und aus den vereinzelten Tropfen wurde ein auf uns abgerichtete Kompanie, losgeschickt um uns zu begrüßen. Hinter jeder Kurve vermuteten wir ein wenig Zivilisation, die aber nicht kam. Statt dessen wurde der Fluss immer tosender und der Wind stärker. 

Die Rettung erschien in Form eines KAMAC. Ein orangefarbenes, unkaputtbares Baufahrzeugs welches von hinten heranbreschte. Wir überlegten nicht lang, hielten den bereist gut trainierten Daumen raus und siehe da…das Ungetüm auf vier Rädern stoppte. Es öffnete ein junger Mann mit bübischem Grinsen die Beifahrertür und auf die Frage, wohin wir denn wollen und wir diese mit “Stepanakert” beantworteten, winkten uns zwei eifrige Hände in das Cockpit. Hayk, der jüngere der beiden Insasse und Alioscha, der Fahrer und mindestens so alt wie der KAMAC selbst waren aus Stepanakert, arbeiteten auf der Baustelle, welche uns den ganzen Weg über begleitet hatte und fuhren nun nach Hause. Für uns hieß das, dass wir nun eine Mitfahrgelegenheit bis an unser Endziel gefunden hatten. Was für ein Glück für uns.
Die beiden waren ein lustiges Gespann. Hayk muss wohl Mitte 20 gewesen sein, aber kann auch gut und gerne älter gewesen sein. Er hatte eine wirklich jungenhafte und unbeschwerte Art und war natürlich neugierig alles über uns zu erfahren. Alioscha war ein wenig ruhiger, hatte die kraftstrotzende Maschine unter uns aber voll im Griff. Zu viert teilten wir uns nun drei Sitze. Für mich war es wohl der unangenehmste Teil der Reise, da ich mitten zwischen den beiden Beifahrersitzen Platz genommen hatte und mich mitten auf Metall gesetzt hatte. Dem Zustand der Straße entsprechend war der Ritt auch nicht wirklich gradlinig und Alioscha drehte die Maschine voll auf um zu demonstrieren das ein KAMAC alles kann, sogar fast fliegen. Zwar bemühte er sich die Schlaglöcher zu umfahren, auf einer Straße, die aber streckenweise aus mehr Loch als Straße besteht, ist das freilich etwas kompliziert. Alioscha tat sein Bestes. Hayk sagte uns das es noch 110 km bis Stepanakert seien und ich bereitete mich auf den Trip meines Lebens vor. Seelisch und so. Wir kamen schnell voran und ich muss gestehen, dass ich in dem Gefährt saß und wirklich froh war, dass die beiden angehalten hatten, denn ich sah wie weit der Weg noch gewesen wäre. Selbst bis in die nächste Häuseransammlung hätten wir bis in die Nacht gebraucht um zu Fuß dahin zu kommen. Wir saßen hoch über der Straße in de Führerhaus des KAMAC wie auf einem Präsentierteller und immer wenn wir eine Siedlung durchquerten konnten wir die neugierigen Blicke der Anwohner sehen. Als wir einen Polizeiwagen passieren wollten waren die Blicke wohl zu neugierig und der Polizist hieß Alioscha den Riesen zu stoppen. Wohlwissend was nun kommen würde kramten wir schon mal unseren Pass hervor. Einer der vier Polizisten schlich zum vorderen Teil des Fahrzeugs aus dem Alioscha bereits ausgestiegen war. Dieser versuchte auch mit dem Beamten zu reden und alle Fragen, zumindest die ersten wurden auf dieser Weise geklärt. Aber der Uniformierte schielte immer zu uns rüber, hieß uns dann endlich aussteigen, nebst Gepäck, welches wir auf den schlammigen Boden absetzen mussten und ihm zu folgen. Der einzige nicht Uniformierte schien wohl der wichtigste in der lustigen Runde zu sein denn er nahm sofort die Regie an sich und unsere Pässe. Die Frage woher wir denn kommen erübrigt sich zwar wenn man den jeweiligen Pass in der Hand hat, trotzdem wurde sie gestellt. Ist eben nicht in kyrillisch oder armenisch geschrieben. Nun erinnert sich der ein oder andre vielleicht, dass ich im Iran gewesen war. Dazu hatte ich ja ein Visum beantragen müssen, welches meinen Reisepass schmückt. Das verzwickte an der Sache ist nun gewesen, dass Persisch und Türkisch wohl die ein oder andere Ähnlichkeit aufweist und wir sofort gefragt wurde ob wir den Türken seien. Das hätte mächtige Probleme gegeben. Auch nur, wenn wir in der Türkei gewesen wären, denke ich. Bin mir da nicht so sicher. Wir konnten uns aber verständlich machen und bescheinigen, dass es ein Visum für den Iran sein und man glaubte uns das. Das viel größere Problem gab es aber nun mit dem Visum, welches wir für Karabakh benötigten. Dies kann man nur im Ministerium für Auslandsangelegenheiten in Stepanankert beantragen und da waren wir ja nun auf dem Weg hin. Hatten es also noch nicht. Das sorgte für ein wenig Verwirrung, wohl auch, weil man bei der Einreise offensichtlich ein Dokument ausgestellt bekommt, eine Art Registrierung. Das hatte der gute Schlagbaumwärter aber wohl vergessen gehabt als wir die Grenze passierten. Aber mit viel Armenisch und dem Beantworten der immer selben Fragen – und ich denke auch weil Hayk und Alioscha für uns sprachen – haben sie uns gehen lassen. Das Gepäck haben sie übrigens nicht kontrolliert.
Die unbefestigte Straße führte uns wohl noch ein gute Stunde durch das Tal. Wir konnten uns die Zeit mit Natureseeing und Smalltalk verreiben. Die beiden waren belustigt über unser Kenntnisse der Sprache was für eine heitere Stimmung sorgte. Hayk konnte stolz berichten, dass er mal einen Mercedes fahren wird. Da ich aus Deutschland bin fand er es eine Erwähnung wert. Auf die Frage nach dessen Farbe meinte er, es solle orange sein, worauf sich ein kleiner Disput über die Kombination dieses Autos und dieser Farbe erstreckte. Ich glaube ich konnte ihn von Schwarz überzeugen.
Als wir endlich eine asphaltierte Straße erreichten, nach anderthalb Stunden, hatte wir die Hälfte der Strecke geschafft. Der Weg führte uns bergauf, bergab und nimmer gerade, sondern immer in den skurrilsten Kurvenkreationen. Aber wir waren von den Farben in Karabakh wirklich überrascht und eingenommen. Es war wirklich als wären wir in einem Garten gelandet. Unterwegs hielten wir ein paar mal an um die ermatteten Glieder zu lockern und wir bekamen eine gegrillten und gesalzenen Maiskolben als Wegzehrung geschenkt. Lecker. 

Der gute KAMAC. Drei Stunden pure Fahrfreude!
Nach drei Stunden Fahrt waren wir kurz vor de Hauptstadt. Da unsere SIMCard aus Armenien nicht in Karabakh funktionierte, was uns aber keiner gesagt hatte, bot Hayk uns sein Telefon an um unseren Kontakt in Stepanakert anzurufen. Unsere Gastorganisation hat beinahe überall in Armenien und eben auch Nagorno-Karabakh Mitarbeiter, die die Gäste und gegebenenfalls auch Freiwillige in Empfang nehmen. So konnten wir einen Treffpunkt vereinbaren.
Wir verabschiedeten Hayk am Stadteingang und Alioscha insistierte uns bis an den vereinbarten Treffpunkt zu begleiten um sicher zu gehen, dass wir auch gut in Empfang genommen wurden. Das wurden wir dann auch. Susanna wartete auf uns vor einem Café im Zentrum der Stadt und nachdem wir unseren Fahrer verabschiedet hatten und uns noch einmal gefühlte hundertmal bei ihm bedankt hatten, sind wir mit Susanna gemeinsam in unsere Gasthaus gefahren, welchen, kurios kurios, nur einen Steinwurf von der Gegend entfernt war, in der wir eine halbe Stunde vorher Hayk abgesetzt hatten. 

Der zweite Teil unseres Trips.
Wir bezogen das sehr hübsch und gemütliche Zimmer, klärten die Registrierung und waren endlich angekommen. Es war für mich beinah unbegreiflich, dass alles so unproblematisch von Statten ging und wir einen wirklich abenteuerlichen Trip durch das halbe Land hatten. 

Das erste und letzte was wir uns an diesem Abend anschauten war die Kebabstube am Ende der Straße, denn wir waren natürlich völlig kaputt von der Reise. Oh ja. Die Niederlande haben verloren, dass hatte ich noch mit einem halben Auge mitbekommen. Für den nächsten Tag war eine Stadtbesichtigung angesetzt. Na dann mal los!

Donnerstag, 17. Juli 2014

Unterwegs nach Nagorno-Karabakh – Teil I


Weil das Abenteuer in Armenien zu sein noch nicht genug ist, bin ich in Begleitung vor einer Woche nach Nagorno-Karabakh gereist. Berg-Karabach, oder der Schwarze Garten Armeniens hat eine etwas tückische Geschichte. Das Territorium gehört eigentlich zu Aserbaidschan, wurde aber von Armeniern als eigenständiger Staat proklamiert. Dieser ist aber nicht anerkannt. Nur ein paar Bundesstaaten der USA und, soweit ich weiß, einer aus Australien haben Berg-Karabach anerkannt. Das Gebiet liegt im Süd-Osten Armeniens und ist von Armenien aus nur über zwei Grenzübergänge zu erreichen. Von Seiten Aserbaidschan gilt es als krimineller Akt hier einzureisen. Ihr seht, es ist nicht so einfach. Die Geschichte um den Schwarzen Garten ist wirklich kompliziert und auch wenn ich versucht habe etwas herauszufinden, bin ich doch immer wieder in einem Wirrwarr von Informationen steckengeblieben. Eines weiß ich aber: Russland hatte irgendwie seine Finger im Spiel. Um die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts hat Stalin das Gebiet von Armenien abgetrennt. Alles weitere endete in einem blutigen Konflikt zwischen Azeris und Armeniern. Der Krieg dauerte von 1990 - 1994 und die Spuren der Katastrophe sind allerorts zu sehen. 

Aber dennoch hieß es, wenn Du einmal in Armenien bist, solltest Du unbedingt nach Karabach. Gesagt getan. Und das Abenteuer im Abenteuer war, dass meine Begleitung und ich uns dazu hinreißen ließen per Anhalter die Strecke zurück zu legen. Hmmm...ok! Klang zu Beginn nicht so komfortabel, aber man kann es ja mal versuchen. Also haben wir uns früh um neun Uhr in Vanadzor (in der Stadt bin ich gerade stationiert) an die Straße gestellt und…gewartet. Nach zwanzig Minuten hielt ein schwarzes, heruntergekommenes Auto vor uns, der Fahrer fragte uns, wohin wir denn wollen, wir gaben unsere Ziel an und stiegen ein. Kaum saßen wir, gab uns der Fahrer zu verstehen, dass der Trip 20 Euro kosten würde und zog von unter seinem Fahrersitz ein Taxischild hervor, welches eigentlich auf dem Autodach angebracht sein sollte. Also sind wir prompt wieder ausgestiegen. Eigentlich war ich da schon bedient und man bedenke, wir waren immer noch in Vanadzor. 10 Minuten Fußweg von unserer Wohnung entfernt. Nun gut. Fünf Minuten später hielt ein junger Kerl in einem großen Auto an und nahm uns die ersten 1000 Meter mit, bis zur nächsten Tankstelle. Für uns war das optimal, weil wir so etwas mehr ausserhalb der Stadt waren. Und wirklich, keine fünf Minuten später hielt das nächste Auto an und wir wurden zu unserem ersten Etappenziel, Dilijan, mitgenommen. Die Fahrt war ruhig, wie der Fahrer auch, also nicht schlecht für den Anfang. In Dilijan angekommen hieß unsere nächster Abschnitt Dilijan – Sevan. Wir mussten ein bisschen die Straße bergauf laufen, haben aber auch hier nach nur 10 Minuten ein Auto stoppen können. Der Fahrer, ein Architekt aus Yerevan, war sehr redebedürftig aber äußerst nett. Wir haben über seine Familie gesprochen und er hat uns ein paar Armenische Wörter beigebracht. Zum Schluss haben wir noch seine Visitenkarte und eine Einladung zu ihm nach Hause bekommen. In Sevan, an der Kreuzung zum Ort Martuni, haben wir uns erstmal einen Kaffee gegönnt. Der erste Abschnitt war geschafft und das ohne Probleme. Als wir uns wieder an die Straße gestellt haben, wollten wir gerade darüber philosophieren, welcher Standort denn am geeignetsten sei, um ein gutes Feedback der Fahrer zu bekommen und die Chancen möglichst hoch zu halten. Wir wollte gerade mit der Diskussion anfangen, da hielt, ohne das wir auch nur ein Zeichen von uns gegeben hätten, ein Transporter an. Nach nur zwei Minuten. Haaa, so viel Glück hatten wir uns ja nicht ausgerechnet. Der Fahrer, Kettenraucher und ein bisschen zu sehr mit seinen Augen bei meiner Begleitung als auf der Straße, hat uns aber mit Smalltalk und ein paar Musikvideos aus seinem DVD-Player integriertem Soundsystem versorgt. Die Strecke von Sevan nach Martuni führte uns für anderthalb Stunden am Sevansee antlang. Und da schönes Wetter war, hatten wir zu unsere Linken permanent eine herrliche Aussicht. Und wir konnten bei dieser Gelegenheit nach Stränden Ausschau halten für die man nicht bezahlen muss.

Der eigentliche Plan war, von Martuni aus in den Süden nach Yeghegnadzor zu fahren, von da weiter nach Goris und dann die Grenze passieren. Der Fahrer des Transporters aber meinte, von Martuni aus könnten wir geradewegs weiter gen Osten die Straße nehmen und bei Zod den Grenzübergang nehmen. Als er uns das erzählte und wir die Karte studierten hatten wir irgendwie das Gefühl, dass das eine gute Idee wäre. Also sind wir nicht nach Yeghegnadzor weitergetramt sondern haben in Martuni die Straße in Richtung Grenze genommen. Zumindest in die Richtung in der wir die Grenze vermuteten. Nach ungefähr 10 Minuten an der Straße warten hatten wir uns entschlossen ein wenig zu laufen, immer gen Osten. Wir waren die Attraktion in der Stadt, was bei einer Militärkaserne halbrechts und einem etwas größeren Wohnblockgebietes linksseitig nicht verwunderlich war. Was uns aber wunderte war die Tatsache das Martuni plötzlich aufhörte und wir nicht wirklich wussten wie es nun weiter gehen soll. Klar, wir hatten ein Richtung, Osten, aber das kann man ja auch überinterpretieren und gen Osten ist eine weite Strecke. Wir haben dann unsere Daumen strapaziert und tatsächlich hielt wieder relativ zeitnah ein neuer Geländewagen. Der Fahrer, Erik, ein Offizier und sein Begleiter waren sehr hilfsbereit und hätten uns in die nächste Stadt – Zod gebracht, wir aber meinten, dass wir auf dieser Straße bleiben sollten und nun gab es hie und da ein paar Kommunikationsproblem, die Erik aber damit löste, dass er eine Freundin von sich anrief, die Englisch spricht. So läuft es fast immer. Wenn man nicht mehr weiter weiß, ein Armenier kennt immer einen Armenier der Englisch kann, oder jemanden der einen kennt der Englisch kann. Auf jeden Fall war diese Fahrt eine kurze bis ans Ende Martunis und es gab einen Keks vom Beifahrer. Niemand kann sagen es hätte sich nicht gelohnt.

Nun lag eine von Baustellen gespickte Schotterstraße vor uns, welche in ein Dorf führte. Hinter dieses Dorf, gut erkennbar, Berge. Berge hinter denen wir den Grenzübergang vermuteten, nein, erhofften. Also gingen wir behänden Schrittes und voller Neugier los. Wir hatten nicht wirklich die Hoffnung das bald ein Auto kommen würde, denn wie es aussah war diese Straße eine der weniger befahrenen. War aber nicht so tragisch, ein bisschen Bewegung tut ja gut. Allerdings wurde unsere Stimmung ein wenig getrübt, im wahrsten Sinne des Wortes denn der Himmel zog sich von jetzt auf gleich vor uns zu. Die Wolken wurden schwarzblau und die Blitze zuckten übern Bergen. Alles war noch weit vor uns und wir mussten mit dem Schlimmsten rechnen. Auf der Dorfstraße war auch keine Café oder Shop zum unterstellen auszumachen. Nur eine Menge Kälbchen die mit uns sicher nicht ihren Stall geteilt hätten. Plötzlich kam ein Wind auf der uns durch Mark und Bein ging und wir stellten uns auf den Weltuntergang ein. 


Ein von hinten heranfahrendes Auto war die Hoffnung. Leider war die Rückbank mit Melonen beladen, die im Dorf herumgefahren wurden. Also kein Platz. Mit den ersten Tropfen verschwand unsere Hoffnung aber die dunkle Wolkenwand war immer noch vor uns und nur zum Teil über uns. Wir gingen also ein bisschen langsamer und versuchten dem Unwetter einen Vorsprung zu geben. Und in der Tat, Blitze, Regen und düstere Wolken waren schneller als mir, sodass wir trocken aus der ganzen Sachen herauskamen. Plötzlich dröhnte es von hinten und ein Laster erschien auf der Straße. Er fuhr in die Richtung in die wir mussten also habe wir nicht lange überlegen müssen. Wir wurden auch tatsächlich mitgenommen und der Fahrer brachte uns in Armeniens Goldgegend. Wir fuhren bis an den Fuß der Berge, auf die wir die ganze Zeit zugelaufen waren und auf einmal, zwischen den grünen Hügeln, erschien eine kleine Fabrikstadt die den Charme eines Westerns hatte. Eine kleine Cargobahn auf den Hügeln, verlassene und zerstörte Fabrikgebäude, Straßenhunde und eine Menge Laster, die in den Bergen unterwegs waren. Wir waren im Goldkombinat angekommen. Der Fahrer erklärte uns, wir müssten ein wenig rechter Hand die Straße bergauf laufen. 20 Minuten und wir wären da. Nun sind Armenische Zeit- und Entfernungsangaben nicht die zuverlässigsten, das wussten wir schon, aber wir waren dankbar und haben uns sofort auf die Strecke begeben. Auf der “Goldstraße” Armeniens ging es also weiter. 
Ein russischer Jungoffizier, der abgestellt war um die passierenden Laster zu kontrollieren war die nächste Seele, die uns behilflich war. Da es nur eine Straße gab, die ein die Richtung, in die wir wollten, führte, war die Richtung ja kein Problem für uns. Wir wollten aber noch einmal nachfragen, wie weit es denn nun wirklich sei. Der junge Mann, der sofort in Russisch mit uns sprach und verwundert war, dass wir in Armenisch antworteten, gab und zu verstehen das er nicht versteht. Vielleicht war es der Tatsache geschuldet das nur selten Wanderer seinen Schlagbaum kreuzten. Wer weiß. Auf jeden Fall, nach einem längeren hin und her, meinte er, wir seine zwar auf dem richtigen Weg, es würde aber länger dauern und wir sollten doch hier auf eine Mitfahrgelegenheit warten. Wir bedankten uns und liefen los. Wollten ja keine Zeit verlieren. Es war halb drei Nachmittags und wir hatten uns ein Ziel gesetzt, wann wir in Stepanakert ankommen wollten.
Die Goldstraße war in ihrer einsamen Gegend ein schöner Anblick. Hinter uns lag “Goldstadt”, rechts und links erhoben steinaufgehäufte Berge und im grünen konnten wir lila und gelbe Fleck ausmachen, die uns eine zwar karge aber deswegen nicht minder schöne Flora darbot. Vor uns schlängelte sich die Matschstraße in die Höhe und wir hatten die Augen lieber auf der Straße als auf dem Bergende. Wir liefen bestimmt auch gute 30 bis 45 Minuten, und bis auf ein Laster und ein kleiner Transporter, die uns entgegen kamen, war niemand sonst auf der Reise. Als wir das Ende der Bergstraße fast erreicht hatten kam uns das Glück in Gestalt eines weißen Ladas und drei jungen Burschen zu Hilfe. Ohne zu zögern hielten die drei an und boten uns in Armenisch-freundlicher Manier zwei Plätze an. Eigentlich hatten wir ja bedenken aus Sicherheitstechnischen Gründen. Ein bisschen wenigsten auch wenn wir noch keine schlechten Erfahrungen gemacht haben. Aber da wir wohl wirklich am Ende der Welt waren und wir nun wirklich nicht mehr wussten wie weit die Grenze nun wirklich ist, stiegen wir ein. Ein kurzer Smalltalk mit den üblichen Fragen nach unserer Herkunft und wo wir hin wollten war aber auch schon der einzige wirklich Kontakt. Die drei waren guter Dinge und bei dem, was uns hinter dem vermeidlichem Gipfel erwarten sollte war das auch gut so. Wir durchquerten einen engen, kurzen, aber umso schlammigeren Pass auf der höchsten Stelle der Goldstraße. Der Lada kam ein paar mal ins Rutschen aber die Armenischen Fahrkünste sind ja legendär und der Fahrer hatte alles unter Kontrolle. Das Grün der Berge und das Rot der in das Tal hinschlängelnden Straße blendete uns beinah. War vorher alles noch steingrau bis ein wenig blaßrot, hatten wir nun das volle Naturprogramm vor Augen. Es war ein unglaublicher Anblick. Die Straße abwärts war nicht wirklich befestigt, kein Asphalt. Nur die Trasse auf der später einmal der Belag kommen sollte. Der Lada hatte in den steilen Kurven manchmal seine Schwierigkeiten aber die Armenischen Fahrkünste – Ihr wisst schon. Ich kann gar nicht sagen wie hoch die Straße gelegen war aber das grüne Tal war lang und tief und die Abhänge, mal zu unsere Linken, mal zur Rechten, waren furchteinflössend und beeindruckend schön. Und wir hatten immer noch keine Ahnung wo die Grenze nun ist, oder überhaupt, wo wir sind. 
Von oben herab sahen wir dann in der übernächsten Steilkurve einen Militärlaster, der der Länge nach den Weg versperrte. Wir fuhren heran und konnten noch rechterhand an dem Fahrzeug vorbei die Kurve passieren. Aber nach guter Manier hielt unser Fahrer an und fragte die Uniformierten, wo denn das (offensichtliche) Problem sei. Nun, und wie es Brauch ist, boten unsere drei Ladainsassen natürlich ihre Hilfe an, den Laster aus dem Schlamm wieder irgendwie in eine Richtung auf die Straße zu bekommen. Es waren nur drei Jungen in Uniform auszumachen, aber als sich nun alle anschickten an dem Gefährt rumzuschieben, bewegte sich das Gebüsch oberhalb der Kurve und sieben weitere Uniformen auf Beinen, wohl kaum eine älter als 25 Jahre, kamen zum Vorschein. Es war herrliches Spektakel. Acht Mann schoben mit aller Kraft den Karren erst tiefer in den Schlamm bis dann einer auf die Idee kam, sich doch vielleicht ans Lenkrad zu setzen und ein bisschen zu navigieren. Naturgemäß geht es am Lenkrad besser. Was haben die Guten Militärs aber gemacht? Richtig. Alle schoben uns zogen draussen am Karren und als man der Meinung war nun bewegt er sich richtig, sprang einer wie von der Tarantel gestochen ins Führerhaus und packte die Lenkstange – natürlich zu spät. Und nun steckten sie mit dem Vorderrad im Schlamm. Unterdessen näherten sich aus beiden Richtungen der Straße Autos die das Geschehen in der Hoffnung zu verfolgen schien, es möge bald vorbei sein. Irgendwie konnten sie den Zirkus umkurven und ohne Hilfe anzubieten passieren. Na ja, ich hatte ja auch nur geraucht. Dachte bei mir, wenn geschulte Uniformen und drei Mannen an dem Laster rumreißen, brauche ich mir ja nicht die Mühe machen. Musste ich auch nicht. Irgendwie hatten sie es dann geschafft das Vehikel nicht bergauf, sonder bergab zu schieben wo die Straße weniger schlammig war und man zumindest Platz hatte um zu wenden und das ganze Manöver noch einmal zu versuchen. Sichtlich erleichtert und dankbar boten die Soldaten Wasser zum Schuhe putzen an, was unsere Fahrer dankbar annahmen. Denn, man muss dazu wissen, auch wenn die Hose und das Shirt eine in der Türkei hergestellte Adidasfälschung ist, die Schuhe eines Armeniers sehen immer so aus, als würde er zu einem Opernball gehen. Dementsprechend müssen sie auch in Schuss gehalten werden. Die Prozedur dauerte eine Weile und wir konnten uns dann auch bald wieder auf den Weg machen. 
Wir hatten nun schon seit längerem keine Anzeichen von Zivilisation auf unserem Weg ausmachen können. Keine Häuser, nicht mal entgegenkommende Autos oder ähnliches. Irgendwie war es schon abenteuerlich. Zwar wussten wir, dass die Grenze irgendwo vor uns liegen muss, aber man ist ja Tourist. Und wir wussten nun auch, dass wir nicht den konventionellen Weg nach Nagorno-Karabakh gewählt hatten. Was für uns das Abenteuer nur größer und spanender machte. 

Und auf einmal, inmitten des dicht begrünten Waldes auf den Hängen um uns herum blinzelte es blau heraus. Wir konnten Dächer in der Ferne ausmachen und waren der Meinung dass das die Grenze sein musste. Tatsächlich fuhren wir an ein kleines weißes Häuschen heran vor dessen Tür am Mast die Fahne Karabakhs wehte. Aber wie eine Grenze sah es nicht wirklich aus. Ein Fluss zur rechten und die ärmliche Gestalt eines wohl immer geöffneten Schlagbaums mit einem Schild, welches auf Russisch eine Kontrolle androhte, vermittelte nicht wirklich das Gefühl, dass man nun auf ein fremdes Territorium fährt. Der Offizier, schneidig russischer Aufmachung, machte auch nicht wirklich den Anschein eine Kontrolle durchführen zu wollen. Unser Fahrer hielt vor dem Häuschen an und schrie ihm durch geöffnete Fenster zu, ob sie denn nicht einfach so passieren könnten. Konnten wir dann doch nicht. Und ich musste mal dringend der Natur nachgeben. 
Wir stiegen aus und unser Fahrer übernahm die Grenzüberquerungsprozedur für uns. Der Offizier fragte, wer wir denn seien und woher wir kommen würden und unsere Fahrer gab ihm die nötigen Antworten. Das schien genug zu sein, denn wir mussten weder unsere Pässe noch unser Gepäck zur Kontrolle reichen. Das russische Schild hatte gelogen. Nach dem ich den wohl widerlichsten Abort der Welt verlassen hatte, eine Bretterhütte in deren Inneren sich eine Bienenkolonie eingerichtet hatte und man sich da entscheidet neben das Gehäuse zu gehen, konnten wir unsere Reise fortführen. Wir waren immer noch nicht 100%ig sicher ob wir denn nun schon auf dem Gebiet Nagorno-Karabakhs sein denn der Grenzübergang war ein Witz. 
Der weiße Lada hielt dann aber an einer Weggablung und die Straßenschilder wiesen linkerhand nach Stepanakert, der Hauptstadt und unserem Reiseziel. Wir waren also doch schon auf fremden Boden. Unsere Mifahrgelegenheit fuhr aber nicht nach links sonder nach rechts. Wir stiegen aus, bedankten uns artig und befanden und in der Mitte von Nirgendwo. Die Landschaft hatte sich verändert und es fühlte sich an als wären wir in einer Mischung aus Sächsischer Schweiz und Tharandter Wald gelandet. 



Es war zur vor vier Uhr und wie wir es aus unseren Fahrern erfahrne konnten, lag Stepanakert noch gute 100 km weit entfernt. Also gut, ein langer Weg lag also noch vor uns.

Der Route erster Teil