Freitag, 18. Juli 2014

Unterwegs nach Nagorno-Karabakh – Teil II


Da saßen wir nun also, an einer Weggabelung mitten in der Walachei von Nagorno-Karabakh. Wir waren natürlich froh schon so weit gekommen zu sein, ohne Problem und mit eine Menge Bilder im Kopf, die uns beiden wohl unvergesslich sind. Mit einer Tüte Sonnenblumenkerne, DextroEnergy und eine Zigarette machten wir erstmal Pause. Irgendwie hatten wir nicht da den Zeitdruck im Nacken und die so nahmen wir uns die Zeit und machten uns erstmal klar, was wir da bis jetzt gemacht hatten. Ohne Plan (zumindest keinen wirklichen) sind wir in sieben verschiedene Fahrzeugen bis über die Grenze (auch wenn dieses Wort es nicht wirklich beschreibt) gekommen. Na wenn das mal nichts ist. Schon ein Abenteuer. Und es war ja noch nicht zu Ende.

Nach der Rast machten wir uns wieder auf den Weg. Es ging ja nur in drei Richtungen und aus einer waren wir gekommen. Zum Glück war das Straßenschild sehr deutlich auf welchen Pfad wir uns zu begeben haben. Vor uns lag eine halb mit Schotter und halb im Schlamm versinkende Straße. Das einzige Anzeichen von Zivilisation war eine Baustelle mit nur einem Bagger nebst Führer, der wohl als einziger versuchte etwas aus der Straße zu machen was den Namen auch verdient hätte. Er machte einen guten Job und ein Hund war wohl sein treuer Begleiter und einziger Zuschauer. Ein älteres Paar war auch noch auf dem Weg Richtung Stepanakert, auch wenn wir uns sicher waren, dass diese beiden Seelen wohl irgendwo im Wald eine Hütte beherbergten. Diese wurden von gleich zwei Hunden eskortiert. Wir versuchten Freundschaft zu schließen, oder zumindest einen guten Eindruck zu hinterlassen indem wir Sonnenblumenkerne anboten, die aber dankend und mit einem Lächeln abgelehnt wurden. 

Der Weg war Schlangenlinien durch ein Tal. Die unterhalb steinernen und nach hoben hin immer grüner werden Berge wurde durch die Straße auf der wir gingen und einem Fluss, welcher auf unseren rechten Seite floss durchschnitten. Wir wussten nicht wirklich wie weit der Weg war, wo wir uns befanden und vieles mehr nicht. Aber wir hatten ja nicht wirklich eine Wahl und so liefen wir und liefen wir. Leider hatten wir irgendwie die Rechnung nicht mit dem Wetter gemacht. Ist ja auch Unsinn das Wetter zu checken bevor man einen solchen Trip antritt. Nun, die Wolken wurden, wie schon in Armenien, immer dunkler und plötzlich knallte ein riesiger Tropfen mir direkt auf die Nase. Wir waren zum Glück ein bisschen vorbereitet und kramten unsere Regenjacken aus unseren Rucksäcken und waren, zumindest für den Augenblick, gerettet. Was uns aber ein wenig Sorgen bereitete war die Tatsache, dass seit Stunden kein Auto an uns vorbei fuhr. Stimmt nicht ganz, ein paar Baufahrzeuge kamen uns entgegen, was aber nicht wirklich hilfreich war, da ja falsche Richtung und so. Die Rettung schien in Form eines Polizeiwagen von hinten an uns heran zu rollen. Sie hielten auch tatsächlich an, fragten uns wo wir hin wollten und woher wir denn kommen. Wir antworteten brav und dachten schon, dass wir jetzt die Chance hätten ein Stück schneller voran zu kommen. Aber nein, sie wollten nur unsere Pässe sehen. Und waren auch sehr gründlich in dessen Inspizierung. Mit einem Lächeln im Gesicht machten sie uns dann auch noch deutlich das sie nicht nach Stepanakert unterwegs seien sondern hier in der Gegend patrouillieren würden. Na danke auch.

Wettermäßig wurde es immer heikler und aus den vereinzelten Tropfen wurde ein auf uns abgerichtete Kompanie, losgeschickt um uns zu begrüßen. Hinter jeder Kurve vermuteten wir ein wenig Zivilisation, die aber nicht kam. Statt dessen wurde der Fluss immer tosender und der Wind stärker. 

Die Rettung erschien in Form eines KAMAC. Ein orangefarbenes, unkaputtbares Baufahrzeugs welches von hinten heranbreschte. Wir überlegten nicht lang, hielten den bereist gut trainierten Daumen raus und siehe da…das Ungetüm auf vier Rädern stoppte. Es öffnete ein junger Mann mit bübischem Grinsen die Beifahrertür und auf die Frage, wohin wir denn wollen und wir diese mit “Stepanakert” beantworteten, winkten uns zwei eifrige Hände in das Cockpit. Hayk, der jüngere der beiden Insasse und Alioscha, der Fahrer und mindestens so alt wie der KAMAC selbst waren aus Stepanakert, arbeiteten auf der Baustelle, welche uns den ganzen Weg über begleitet hatte und fuhren nun nach Hause. Für uns hieß das, dass wir nun eine Mitfahrgelegenheit bis an unser Endziel gefunden hatten. Was für ein Glück für uns.
Die beiden waren ein lustiges Gespann. Hayk muss wohl Mitte 20 gewesen sein, aber kann auch gut und gerne älter gewesen sein. Er hatte eine wirklich jungenhafte und unbeschwerte Art und war natürlich neugierig alles über uns zu erfahren. Alioscha war ein wenig ruhiger, hatte die kraftstrotzende Maschine unter uns aber voll im Griff. Zu viert teilten wir uns nun drei Sitze. Für mich war es wohl der unangenehmste Teil der Reise, da ich mitten zwischen den beiden Beifahrersitzen Platz genommen hatte und mich mitten auf Metall gesetzt hatte. Dem Zustand der Straße entsprechend war der Ritt auch nicht wirklich gradlinig und Alioscha drehte die Maschine voll auf um zu demonstrieren das ein KAMAC alles kann, sogar fast fliegen. Zwar bemühte er sich die Schlaglöcher zu umfahren, auf einer Straße, die aber streckenweise aus mehr Loch als Straße besteht, ist das freilich etwas kompliziert. Alioscha tat sein Bestes. Hayk sagte uns das es noch 110 km bis Stepanakert seien und ich bereitete mich auf den Trip meines Lebens vor. Seelisch und so. Wir kamen schnell voran und ich muss gestehen, dass ich in dem Gefährt saß und wirklich froh war, dass die beiden angehalten hatten, denn ich sah wie weit der Weg noch gewesen wäre. Selbst bis in die nächste Häuseransammlung hätten wir bis in die Nacht gebraucht um zu Fuß dahin zu kommen. Wir saßen hoch über der Straße in de Führerhaus des KAMAC wie auf einem Präsentierteller und immer wenn wir eine Siedlung durchquerten konnten wir die neugierigen Blicke der Anwohner sehen. Als wir einen Polizeiwagen passieren wollten waren die Blicke wohl zu neugierig und der Polizist hieß Alioscha den Riesen zu stoppen. Wohlwissend was nun kommen würde kramten wir schon mal unseren Pass hervor. Einer der vier Polizisten schlich zum vorderen Teil des Fahrzeugs aus dem Alioscha bereits ausgestiegen war. Dieser versuchte auch mit dem Beamten zu reden und alle Fragen, zumindest die ersten wurden auf dieser Weise geklärt. Aber der Uniformierte schielte immer zu uns rüber, hieß uns dann endlich aussteigen, nebst Gepäck, welches wir auf den schlammigen Boden absetzen mussten und ihm zu folgen. Der einzige nicht Uniformierte schien wohl der wichtigste in der lustigen Runde zu sein denn er nahm sofort die Regie an sich und unsere Pässe. Die Frage woher wir denn kommen erübrigt sich zwar wenn man den jeweiligen Pass in der Hand hat, trotzdem wurde sie gestellt. Ist eben nicht in kyrillisch oder armenisch geschrieben. Nun erinnert sich der ein oder andre vielleicht, dass ich im Iran gewesen war. Dazu hatte ich ja ein Visum beantragen müssen, welches meinen Reisepass schmückt. Das verzwickte an der Sache ist nun gewesen, dass Persisch und Türkisch wohl die ein oder andere Ähnlichkeit aufweist und wir sofort gefragt wurde ob wir den Türken seien. Das hätte mächtige Probleme gegeben. Auch nur, wenn wir in der Türkei gewesen wären, denke ich. Bin mir da nicht so sicher. Wir konnten uns aber verständlich machen und bescheinigen, dass es ein Visum für den Iran sein und man glaubte uns das. Das viel größere Problem gab es aber nun mit dem Visum, welches wir für Karabakh benötigten. Dies kann man nur im Ministerium für Auslandsangelegenheiten in Stepanankert beantragen und da waren wir ja nun auf dem Weg hin. Hatten es also noch nicht. Das sorgte für ein wenig Verwirrung, wohl auch, weil man bei der Einreise offensichtlich ein Dokument ausgestellt bekommt, eine Art Registrierung. Das hatte der gute Schlagbaumwärter aber wohl vergessen gehabt als wir die Grenze passierten. Aber mit viel Armenisch und dem Beantworten der immer selben Fragen – und ich denke auch weil Hayk und Alioscha für uns sprachen – haben sie uns gehen lassen. Das Gepäck haben sie übrigens nicht kontrolliert.
Die unbefestigte Straße führte uns wohl noch ein gute Stunde durch das Tal. Wir konnten uns die Zeit mit Natureseeing und Smalltalk verreiben. Die beiden waren belustigt über unser Kenntnisse der Sprache was für eine heitere Stimmung sorgte. Hayk konnte stolz berichten, dass er mal einen Mercedes fahren wird. Da ich aus Deutschland bin fand er es eine Erwähnung wert. Auf die Frage nach dessen Farbe meinte er, es solle orange sein, worauf sich ein kleiner Disput über die Kombination dieses Autos und dieser Farbe erstreckte. Ich glaube ich konnte ihn von Schwarz überzeugen.
Als wir endlich eine asphaltierte Straße erreichten, nach anderthalb Stunden, hatte wir die Hälfte der Strecke geschafft. Der Weg führte uns bergauf, bergab und nimmer gerade, sondern immer in den skurrilsten Kurvenkreationen. Aber wir waren von den Farben in Karabakh wirklich überrascht und eingenommen. Es war wirklich als wären wir in einem Garten gelandet. Unterwegs hielten wir ein paar mal an um die ermatteten Glieder zu lockern und wir bekamen eine gegrillten und gesalzenen Maiskolben als Wegzehrung geschenkt. Lecker. 

Der gute KAMAC. Drei Stunden pure Fahrfreude!
Nach drei Stunden Fahrt waren wir kurz vor de Hauptstadt. Da unsere SIMCard aus Armenien nicht in Karabakh funktionierte, was uns aber keiner gesagt hatte, bot Hayk uns sein Telefon an um unseren Kontakt in Stepanakert anzurufen. Unsere Gastorganisation hat beinahe überall in Armenien und eben auch Nagorno-Karabakh Mitarbeiter, die die Gäste und gegebenenfalls auch Freiwillige in Empfang nehmen. So konnten wir einen Treffpunkt vereinbaren.
Wir verabschiedeten Hayk am Stadteingang und Alioscha insistierte uns bis an den vereinbarten Treffpunkt zu begleiten um sicher zu gehen, dass wir auch gut in Empfang genommen wurden. Das wurden wir dann auch. Susanna wartete auf uns vor einem Café im Zentrum der Stadt und nachdem wir unseren Fahrer verabschiedet hatten und uns noch einmal gefühlte hundertmal bei ihm bedankt hatten, sind wir mit Susanna gemeinsam in unsere Gasthaus gefahren, welchen, kurios kurios, nur einen Steinwurf von der Gegend entfernt war, in der wir eine halbe Stunde vorher Hayk abgesetzt hatten. 

Der zweite Teil unseres Trips.
Wir bezogen das sehr hübsch und gemütliche Zimmer, klärten die Registrierung und waren endlich angekommen. Es war für mich beinah unbegreiflich, dass alles so unproblematisch von Statten ging und wir einen wirklich abenteuerlichen Trip durch das halbe Land hatten. 

Das erste und letzte was wir uns an diesem Abend anschauten war die Kebabstube am Ende der Straße, denn wir waren natürlich völlig kaputt von der Reise. Oh ja. Die Niederlande haben verloren, dass hatte ich noch mit einem halben Auge mitbekommen. Für den nächsten Tag war eine Stadtbesichtigung angesetzt. Na dann mal los!

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