Montag, 19. Mai 2014

Urlaub im Mittleren Osten

Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich etwas für den Blog verfasst habe. Grund dafür ist, dass sich nicht so viel getan hat in den letzten anderthalb Monaten. Ich habe English and German Conversation Clubs und Armenischstunden…nichts weltbewegendes also. Und weil es nicht weltbewegend war, habe ich Urlaub im Iran gemacht. Wenn man schon mal in Armenien ist, ist der Iran nicht so weit weg und die Gelegenheit war günstig. 

Also hieß es Visum beantragen, drei Wochen auf Visum warten, Visum bekommen, Busticket nach Teheran buchen und Sachen packen. Eine Freundin und ich waren für 15 Tage in einem Land unterwegs von dem man sonst nur hört und das nicht besonders rosig, welches man aber eher selten zu Gesicht bekommt. Der Iran

Yerevan – Teheran
Dienstag, 29.04.; Früh um 10 ging es mit dem Bus von Yerevan nach Teheran. Ein 24 Stunden Trip.
War aber auszuhalten und ich habe die meisten Zeit geschlafen. Aber wir haben den Süden Armeniens gesehen und so weit südlich sind wir noch nicht gewesen. Die Landschaft war atemberaubend und gepaart mit einem Sonnenuntergang ein bisschen romantisch. 

Der Grenzübertritt von Armenien in die Islamische Republik Iran war kürzer als gedacht. Wir haben nur knapp 2 Stunden gebraucht mit allem drum und dran. Also auschecken aus Armenien, 500 Meter zur Iranischen grenze laufen, einchecken in den Iran und auf den Bus warten. Der brauchte am längsten. Während wir auf unser Gefährt warteten haben wir auch gleich mit der Iranischen Gastfreundschaft Bekanntschaft gemacht. Jeder wollte mit uns reden, wissen wo wir hinwollen, welche Städte wir besuchen wollen und so weiter. Bei dieser Gelegenheit haben wir auch gleich einen Schnellkurs in Farsi (Persisch) ablsoviert. Man will ja auf alles vorbereitet sein.

Mittwoch pünktlich nach 24 Stunden fuhr der Bus dann in die Iranische Busstation ein und wir hatten keinen Schritt aus dem Bus gemacht, da waren wir auch schon von Taxifahrern umzingelt. Ein Gefühl, welches wir öfter bekommen sollten. Doch wir hatten Glück, denn wir hatten während der Fahrt Bekanntschaft mit Eli und Mahmud (ich weiß wirklich nicht, wie man diesen Namen schreibt) gemacht und Mahmud hat uns für den Einstieg in seine Wohnung zu Kaffee, Tee und Erfrischung eingeladen. Da unsere erster Gastgeber in Teheran bis 15 Uhr arbeiten musste haben wir dieses Angebot angenommen, nicht wirklich wissend wohin die Reise geht. Aber wir hatten nicht wirklich Grund nervös oder misstrauisch zu sein. 

Nach Tee und Erfrischung sind wir dann mit unseren neuen Freunden in die Stadt und haben erste Eindrücke gesammelt. Was soll ich sagen: es war heiß und man versteht nicht wirklich viel was um einen herum passiert. Auch Lesen fiel etwas schwer bei all den Krakeln und Punkten. Aber es gab erstaunlich viele Schilder in Zweisprachigkeit.

Willkommen im Iran


Als erstes ging es auf einen der vielen Bazare. Enge Straßen die gesäumt sind mit Läden aller Couleur. 
Obst, Gemüse, Fleisch, Bekleidung und Lebendtier. Klingt erstmal nicht so spannend, war es im Grunde auch nicht, aber die vielen Sinneseindrücke die auf einen eingeprasselt sind hatten es in sich. Unsere Gastgeber halfen uns dann auch eine Iranische SIM Karte zu erwerben und Geld zu tauschen. Das passierte natürlich, echt orientalisch, auf dem Großen Bazar. 
Wir haben uns dann auch gleich mal mit dem echt übersichtlichen Metrosystem der Hauptstadt bekannt gemacht. Sehr schön war, dass alles in Farsi und Englisch geschrieben.







Nachmittags sind wir dann zu unserer Gastgeberin, die wir über Couchsurfing gefunden haben. In einer gemütlichen Zweiraumwohnung haben wir unsere Sachen verstaut und sind Abends noch einmal in die Stadt. Teheran bei Nacht. Naja…dunkel halt.
Wir waren in einem lokalen Restaurant essen und ich hatte Dizzy. Kurz erklärt: mehrere Zutaten wie Kartoffel, Tomate, Schafsfleisch und anderes Gemüse werden in einem Gußeisernen Zylinder gekocht. Wenn der Kellner den Zylinder an den Tisch bringt, mit einer Zange, wird mit einem großen Stößel alles zu einer Art Brei zerdrückt, die Soße als Suppe auf den Teller gegossen und der im Zylinder verbliebene Brei wird mit Brot gegessen. Ein echter Mann schafft den ganzen Zylinder. Was soll ich sagen…check.

Den nächsten Tag haben wir mit Sightseeing verbracht, natürlich nicht, ohne zu Beginn ein Café aufzusuchen. Kaffee in Iran ist schwerer zu finden als man denkt. Aber zum Glück waren wir in der Hauptstadt und der Einfluss des Westens zeigte sich nach einer Stunde des Suchens in Gestalt eines Coffeeshops. 

Im Allgemeinen ist Teheran eine typische Hauptstadt würde ich sagen. Der Verkehr war unübersichtlich, es war immer was los auf den Straße und jeder Dritte, dem man auf der Straße begegnete rief einem hinterher "Hello Mister, how are you?". Interessant war, das meine weibliche Bekanntschaft kaum angesprochen wurde. Als Ansprechpartner Nummer als galt ich. Am Anfang war mir das Konzept ein wenig suspekt, aber man gewöhnt sich dran. Und, wenn die Frage aufgekommen sein sollte beim geneigten Leser, ja, Kopftücher überall. Auch ein Anblick an den man sich gewöhnt. Nur meine Begleitung brauchte ein paar Tage mehr.

Den zweiten Abend gab es eine kleine Party im Haus unserer Gastgeberin. So hatten wir Gelegenheit mit Iranern zu sprechen. Es war interessant, dass die ersten Fragen fast immer waren, was wir von Iran halten und warum wir denn ausgerechnet in den Iran gekommen sind. Iraner haben einen ausgeprägten Nationalstolz will ich meinen. Aber nicht schlimmer als der von anderen Nationen. Ich denke es hat viel damit zu tun, dass Irans Ruf in der Welt nicht der Beste ist und die Iranische Bevölkerung das weiß und deswegen alles versucht um diesen Ruf zu widerlegen. Kann man ihnen nicht verdenken.

Teheran ist riesig und wenn man sich mit dem Taxifahrer nicht wirklich um den Preis streiten kann muss man eben die Stadt zu Fuß erkunden. Das haben wir am dritten Tag gemacht und ich muss sagen, es gibt viele schöne kleine versteckte Ecken in der lauten, dreckigen und hektischen Stadt. Vor allem war es faszinierend wie viel Moscheen in den Straßen versteckt waren. Nicht die großen mit überdimensionaler Kuppel, kleine versteckte unscheinbare Räume, die man bestenfalls am blauen Mosaik im Türrahmen erkenne kann.


Geschäftiges Treiben im Bazar

Milad Tower
Die Eindrücke waren viel zu viel und ich glaube, wir haben auch nicht wirklich Sightseeing betrieben. Wir haben und mehr treiben lassen und die Stadt auf eigene Faust erkundet. Im Endeffekt kann gesagt werden, dass Teheran eine typische Hauptstadt ist. Pulsierend und laut. Und hinter jeder Ecke ein kleiner oder mittlerer Park, der dem Stadtbild einen gemütlichen Charme verleiht. 

Mit dem Nachtbus ging es weiter nach Isfahan. Wir hatten an der Grenze eine junge Dame kennengelernt, die uns sofort in Ihre Wohnung eingeladen hatten, sollten wir den nach Isfahan kommen. 

Nach knapp 7 Stunden Fahrt sind wir morgens um halb fünf in Isfahan angekommen. Laut Karte sollte das Stadtzentrum nicht so weit vom Busterminal entfernt sein und als guter Gast lässt man den Gastgeber zu dieser Uhrzeit nicht antanzen. Also sind wir des nächtens in die Stadt gelaufen und es hat sich gelohnt. Der Imam Square, eine großer Platz umsäumt mit dem Bazar und mit drei Moscheen war um sechs Uhr in der früh einfach magisch. Der Sonnenaufgang über der Moschee, ein fast Menschenleerer Platz und die erfrischende Morgenluft haben den Start in den Tag zu einem wahren Fest gemacht. 

Der Imam-Square am Morgen…



Sio-Se-Pol
Nach dem unser Gastgeber uns abgeholt und in seiner Wohnung untergebracht hatte gab es erstmal Iranisches Frühstück. Tee, Brot und Süßstoff. Honig, Datteln und vieles mehr was ich nicht aussprechen konnte aber äußerst ansprechend fand.
Hier sind wir auch mit der Iranischen Tradition des Ta'arof in Kontakt gekommen. Wenn im Iran jemand jemandem ein Angebot macht, ist es nach Ta'arof Brauch erstmal abzulehnen. Wird das Angebot ein zweites Mal wiederholt, wird es wieder abgelehnt. Das dritte Mal kann man akzeptieren wenn man möchte. Der Grund dafür ist äußerst simpel. Mit dem mehrmaligen Ablehnen eines Angebotes kann man dem Offerierendem die Chance geben sein Angebot zurückzuziehen sollte er nicht die nötigen Mittel haben um es wahr zu machen, zum Beispiel eine Einladung zum Essen. Warum macht er das Angebot dann? Weil es zum Guten Ton gehört Freunde und Fremde einzuladen. Iranische Gastfreundschaft kann gruselige Ausmaße annehmen. Die Gastfreundschaft die wir erfahren durften war stellenweise sehr fordernd. Für meine Deutsche Seele ein bisschen zu fordernd an machen Tagen. Aber auch hier gibt es eine ganz einfache Erklärung dafür. Iraner sind neugierig und wollen alles über einen wissen. 

Isfahan war, im Gegensatz zu Teheran, etwas ruhiger und hatte viele schöne Parkanlagen in denen man den heißen Part des Tages verbringen konnte. Es war deutlich mehr Grün zu sehen als in Teheran. Durch die Stadt geht ein Fluss, der aber kein Wasser führte und das kuriose war, dass uns niemand so richtig sagen konnte warum. Auch egal. Die Brücken waren auch schön.

Man konnte förmlich den früheren Reichtum der Stadt anhand der vielen historischen Bauten riechen. Unglaublich viele Moscheen und reich verzierte alte Herrenhäuser.




Den ersten Tag haben wir dann rund um den Imam Square verbracht. Der Bazar der um den Platz führt ist eine Stadt für sich. Unglaublich viele Shops, Restaurants und zwischen all dem Getümmel führen Türen und kleine zu idyllischen Hinterhöfen oder in kleine Moscheen. 
In der Mittagshitze war zwischen eins und vier immer wenig los. Was aber nicht schlimm war solange man sich im Schatten oder im überdachten Bazar aufhalten konnte.



Unsere Gastgeber haben uns für den ersten Abend zu einem Freund eingeladen der einen riesigen Garten etwas ausserhalb der Stadt hatte. Es gab köstliche Suppe, Wasserpfeife und Iranischen Wein (!), der im Schatten der hintersten Gartenmauer vergraben war. Mit Spaten ist unser Gastgeber losgezogen und hat eine Flasche ausgegraben.

Lecker Suppe


Unsere Gastgeber im Garten
In Iran gibt es zwei Welten.
Die erste ist die, welche man aus den Medien kennt. Das restriktive System, die unglaubliche Gebundenheit an den Islam und so weiter.
Die zweite spielt sich hinter den geschlossenen Haustüren und Gartenmauern ab. Hier legen die Frauen ihre Hijabs (Kopftücher) ab und es wird köstlicher Wein oder hochprozentigeres serviert. Kaum jemand, den wir getroffen haben, hat sich stark mit der Iranischen Politik identifiziert. Einige Merkwürdigkeiten für das Europäisches Auge gab es dennoch. So haben zum Beispiel die älteren Frauen kaum Ihre Kopftücher abgenommen und die Männer haben den Frauen auch seltenst die Hand zum Gruß gegeben. Aber dennoch muss konstatiert werden, dass dieses Land viel unbeschwerter und freier ist, als man es in den Medien serviert bekommt.

Blick vom Balkon unserer Gastgeber

Sio-Se-Pol – die 36 Brücken








Von Isfahan ging es dann nach Yazd…wieder mit dem Nachtbus.

Yazd
Morgens um halb sechs in Yazd angekommen habe ich mich zum ersten Mal ein bisschen verloren gefühlt. Das Bus Terminal war ein wenig ausserhalb der Stadt gelegen und mein erster Eindruck war, dass wir uns in einer Wüstenstadt befinden. Der warme Wind trug den Geruch von Sand in sich und bereits am frühen Morgen war es erdrückend heiß.
Wir brauchten eine Weile und ein Taxi für zu viel Geld um zu unserem Gastgeber zu gelangen aber wir wurden aufs Freundlichste empfangen. Nun ja…eine kleine Unannehmlichkeit wurde uns erst später erzählt, nämlich das unsere Gastgeberin Ihren Eltern erst am Morgen unserer Ankunft von uns erzählte. Ok…damit muss man leben. Dennoch bekamen wir ein köstliches Frühstück und konnten uns für ein paar Stunden ausruhen. Im Bus zu schlafen ist wenig angenehm.

Zwei Dinge gibt es über Yazd zu sagen:
Erstens zählt diese Stadt zu den konservativeren Regionen des Irans was man auch sofort an der Bekleidung der Frauen bemerken konnte. Während in Teheran und Isfahan viele, vor allem junge Damen mit einem stylischen Kopftuch geschmückt waren, gab es in Yazd kaum solche Modeerscheinungen. Alles war weit aus zugeknöpfter.
Zweitens hat Yazd eine der schönsten und beeindruckendsten Altstädte, die ich zu sehen bekommen habe. Bestehend aus schmalen Gassen, die sehr stark an die Städte aus 1001 Nacht oder an Prince of Persia erinnerten, haben die sandgelben Gemäuer einen geheimnisvollen Eindruck hinterlassen. Vor allem das Schlendern am Abend und der hereinbrechenden Nacht war sehr atmosphärisch.
Natürlich gab es auch hier einen großen Bazar und unzählige Moscheen zu bestaunen. Aber wir haben Yazd mehr zum Spazieren gehen genutzt als zum Sightseeing.








Altstadt in Yazd







Den zweiten Tag unseres Aufenthaltes haben wir ein altes Wüstendorf besucht. Dakhmeh liegt ausserhalb des Stadtzentrums am Fuße zweier kleiner Hügel auf denen Festungen errichtet worden waren. Von hier aus konnten wir den spektakulären Mix aus Wüste und Sonnenuntergang genießen. Alle Facetten von Gelb, Rot und Blau waren in der Ebene und um die Berge herum zu sehen.
Dakhme ist ein Ort der Bestattung gewesen. Von den Festungen hat man die Toten geworfen und ein paar Tage später Ihren Zustand dazu benutzt um zu bestimmen wohin die Seelen gehen. Wurde das rechte Auge von einer Krähe herausgepickt, kam der erstorbene in den Himmel. Beim Linken gings in die Hölle.




Ein altes persisches Herrenhaus…

…jetzt ein Hotel.





Wüstendorf Dakhmeh


Unser nächstes Ziel war Shiraz.

Shiraz
Auch wenn wir es nun schon zum wiederholten Male getan hatten, aber das Laufen vom Bus Terminal in die jeweilige Stadt war immer anders und in Shiraz hatten wir das Vergnügen, dass das Stadtzentrum wirklich nah gelegen war. So konnten wir das langsame Erwachen der Stadt auf unserem Weg zum Hostel beobachten. Bäckereien am Wegesrand warne mit Menschen vollgestellt, die alle auf das frisch gebackene Brot warteten. Die Kioskverkäufer waren mehr als guter Laune. Schulkinder die auf den Bus warteten. Taxifahrer die gemeinsam bei Tee und Backgammon auf Kundschaft warten…

Unser Hotel, eigentlich ein Hostel war ok. Für den Preis hatten wir keinen Luxus erwartet. Zwei Betten, ein Tisch und wir hatten die sanitären Anlagen mit im Raum. Das kann man von nicht jedem Etablissement dieser Preisklasse behaupten, wo Dusche und WC gewöhnlich auf einer Etage für alle sind. Wir hatten also Glück.

Vie Couchsurfing haben wir einen jungen Iraner kennen gelernt, der gerade seine Ausbildung im Tourismusgeschäft absolviert. Er hat uns angeboten uns in der Stadt herumzuführen.
Nach einer morgendlichen Schlafpause (das Busproblem), einer Dusche und langem Suchen nach einem Kaffee haben wir uns dann zusammengefunden und Abas hat uns in Shiraz herumgeführt.




Persische Punk Küken – rechts unten im Bild



Shiraz ist berühmt für das "Quoran Gate". Ein imposanter Komplex, der wie ein Freizeitpark anmutet und das Grab eines berühmten iranischen Dichters beherbergt. Wir haben uns das am Abend angesehen wo bei es wohl noch imposanter erschien als am Tage. Und wir haben den BESTEN Burger und das BESTE Eis Irans gegessen.

Quoran Gate


Heilige Quelle in Shiraz

Shiraz bei Nacht

Nahe Shiraz liegt Persepolis, eine antike Ruinenstadt, die wir aber nicht besucht haben, da die Preise ungeheuerlich sind. Ein bisschen schade ist das schon gewesen, zugegeben, aber wir wollten ja keine typische Tourismus Tour und da muss man eben Abstriche machen. Es hat nur kurz geschmerzt.

Anderthalb Tage sind wir in Shiraz herumgeschlendert und sind dann von hier aus nach Hamadan weiter. Ein 17 Stunden Trip per…klar…per Nachtbus.

Hamadan
Zum ersten Mal während unseres Iranurlaubs hat es geregnet. Und es war erfrischend angenehm gewesen da das Klima ein bisschen an die Heimat erinnerte.

In Hamadan gibt es eine fast 7000 Jahre alte Siedlung, die wir uns natürlich angesehen haben.
Steine, sehr alte Steine. Sehr viele alte Steine. Aber durchaus einen Besuch wert, da freier Eintritt.

Eine Anekdote zur Iranischen Gastfreundschaft:
Wir waren in der regnerischen Stadt unterwegs, plauderten so vor uns hin, als aus einem vorbeifahrenden Auto eine Hand in rasender Geschwindigkeit zum Gruß wedelte. Der junge Mann am anderen Ende der Hand war uns völlig unbekannt und er rief uns etwas zu, was wir aber wegen des Verkehrs nicht verstehen konnte. Wild gestikulierend und freundlich lächelnd fuhr er also an uns vorüber, bog 100 Meter vor uns links in eine Straße und war weg. Denkste. Fünf Minuten später kam Hamid, jetzt noch breiter lächelnd als vorher, auf uns zu und begann unverblümt ein Gespräch. Wir waren völlig perplex obwohl wir schon von vielen angesprochen wurden waren während der Reise, aber Hamid war von anderer Natur. Er stellte die ersten uns wohl bekannten Fragen "Wie heißt ihr? Wo kommt ihr her? Was ist Eure Meinung zum Iran?", in dieser Reihenfolge. Da traditionsgemäß alle Fragen an mich gerichtet waren, durfte ich den Small Talk übernehmen. Brav habe ich Rede uns Antwort gestanden und nach sieben ein halb Minuten schossen aus ihm die Worte "Ich möchte Euch in das Haus meiner Eltern zum Essen einladen. Jetzt." Da war ich schon ein bisschen Sprachlos. Normalerweise vergehen zwischen einem (von beiden Seiten gewollten, absichtlichen) Kennenlernen und einer Einladung in das Haus der Eltern zum Essen mindestens Tage. In Deutschland wahrscheinlich etwas länger. Aber sieben ein halb Minuten fand ich schon recht bemerkenswert. Das Problem war, dass wir ja zu Gast bei einem Ehepaar waren und auch nicht wirklich das Interesse hatten bei einem fremden Iraner ins Haus zu stürmen. Zumindest nicht zu unverblümt. Wir, also ich, hatten dann auch gut 15 Minuten zu tun um die Einladung aufs Höflichste abzulehnen ohne Hamid vor den Kopf zu stoßen. Keine leichte Aufgabe kann ich versichern.

Hamadan als Stadt war schön anzusehen und wir haben neben den Moscheen auch eine Synagoge und eine armenische (!) Kirche besichtigt. Religionsvielfalt wo man hinsieht.



Das soll ein 2300 Jahre alter steinerner Löwe sein.

Die 10 Gebote


Armenische Kirche in Hamadan



Iranisches Kebab. 
Auch ein Wasserfall nahe der Stadt gehörte zu den Atraktionen. Um ihn herum wurde eine Art Freizeitpark gebaut, der 24 Stunden geöffnet hat. Man kann hier Wasserpfeifen ausleihen, unzählige Speisen verzehren oder einfach nur im Gras liegen. Ausserdem war das Gebiet ein sehr beliebtes Ziel für junge Menschen. Wahrscheinlich waren die Zelte, die man sich ausleihen konnte einfach zu verlockend.

Unsere letzten Tage standen nach Hamadan auf dem Programm und es sollte ans Meer gehen. Ans Kaspische Meer. Aber erstmal ging es per Nachtbus nach Rasht.

Rasht
In Rasht haben wir fast drei Stunden gebraucht um ein geeignetes Hostel zu finden. Das erste hatte keine Dusche, das zweite war zu dreckig und das dritte zu schwer zu finden, aber nach dem wir endlich die halbe Stadt durchkämmt hatten und es schlussendlich doch finden konnten war die Erleichterung groß. Hier hatten wir dann auch die Toiletten und Duschen auf dem Gang. Eine für alle, und alle auf Eine wie es so schön heißt.

Ich muss gestehen, dass unsere Energie auch langsam zu Ende ging und wir nicht wirklich Energie verschwendet haben um uns Sehenswürdigkeiten anzusehen. Stattdessen sind wir nach einem Nickerchen in die Stadt und haben uns von Getümmel treiben lassen. Natürlich ging es wieder auf den Bazar und die ein oder andere Moschee, welche unseren Weg kreuzte wurde auch besichtigt.

Der eigentliche Grund für unseren Aufenthalt in Rasht war aber die Nähe zum Kaspischen Meer. Am zweiten Tag sind wir mit einem kleinen Überlandbus losgezogen um mehr Meer zu sehen. Wenn man die ganze Zeit nur Wüste und Berge um sich herum hat ist das eine willkommene Abwechslung. Und was soll ich sagen? Es war traumhaft.

Das erste was wir gemacht haben war natürlich die Schuhe auszuziehen, uns unserer Socken zu entledigen und ins Wasser zu steigen. Die toten Fische im Wasser sind zwar aufgefallen aber man macht ja den ganzen Weg nicht um dann nicht ins Wasser zu steigen. Der Strand an sich war nicht wirklich schön. Viel zu dreckig. Aber was solls. Meer ist Meer.

Blick vom Café auf das Meer

Mehr Meer
Den Nachmittag verbrachte wir dann im Hotel Café bei Kaffee und mit Blick aufs Meer. Entspannung pur sage ich nur.

Abends, nach einer leckeren Iranischen Pizza, ging es es zu unserem letzten Ziel. Tabriz. Hier sollten wir nur ein paar Stunden verbringen und dann Abends den Bus zurück nach Yerevan nehmen.

Tabriz
In Tabriz hatte es einen Tag zuvor heftig geregnet und der Busplatz war weiß von eiergroßen Hagelkörnern. Unsere erste Aufgabe war es, das Busticket zurück zu organisieren. Pech nur das um sieben Uhr früh alle Schalter noch geschlossen waren. Glück gehabt, dass es um die Ecke Kaffee gab. zwar nur Tütenpulverkaffee aber eh, besser als nichts. Eine Stunde Warten später wollten wir dann unsere Tickets kaufen aber wir hatten uns übel im Prei vertan. Beide Tickets waren teurer als wir in Iranischen Rial am Mann hatten. Glück war aber, dass wir noch Dollar und Armenische Dram hatten. Nach langen Verhandlungen und ein paar Telefonaten konnten wir uns dann einigen, dass wir das erste Ticket bezahlen, in die Stadt zum Geldwechseln gehen und abends um 7 das zweite Ticket bezahlen. Der Bus sollte um 20 Uhr abfahren.

Also in die Stadt, eine Bank zum Geldwechseln suchen, was gar nicht so einfach war, da nur eine einzige Bank dazu autorisiert war. Bis wir diese gefunden hatten vergingen dann auch wieder zweieinhalb Stunden. Und dann haben wir das Geld auch nicht in der Bank sondern auf dem Bazar getauscht. Wir waren natürlich erleichtert dass wir das Geld endlich hatten. Und wir hatten genug übrig um uns einen schönen letzten Tag zu machen. Der Plan eine Menge Souvenirs und Essen zu kaufen. Aber erstmal Frühstück.

Jede Treppe, die in Iran in das Kellergeschoss führt, birgt eine Überraschung hinter sich. In diesem Fall war es eine Art Restaurant, spärlich eingerichtet aber das Omelett zum Frühstück war absolut lecker.

Tabriz war, um ehrlich zu sein, nicht so beeindruckend.
Die Stadt war ein bisschen langweilig und die Menschen sahen ein bisschen missmutig und bedrückt aus. Aber vielleicht lag es auch einfach an unserem Mangel an Energie und Aufnahmefähigkeit. Unsere letzten Rial haben wir dann in leckeres Essen umgesetzt und ich habe mir einen Iranischen Haarschnitt geleistet.

Unser Bus hatte zwei Stunden Verspätung und wir haben es uns so gut es eben geht diese Zeit im Bus Terminal eingerichtet. Essen und entspannen.

Tabriz – Yerevan
Wir hatten nun keinen 24 Stunden Trip vor uns sondern nur einen 14 Stunden Trip.
Lang genug und wir haben uns mit Chips und Cola beköstigt.

Die Grenze war eine Sache für sich.
Ein paar Erläuterungen vorher:
Einer unserer Freiwilligen hatte auch einen Tour unternommen und als er von Georgien nach Armenien einreisen wollte, hat man ihn nicht gelassen. Großes Hallo bei allen hier. Was soll man sagen. Der Grund dafür ist gewesen, dass er als Journalist für Organisationen arbeitet, welche Menschenrechte unterstützen und, zum Beispiel, Workshops zu diesem Themen anbietet. Nun ja, in seiner Position als Journalist hat er sicher auch etwas dazu veröffenlicht. Das wissen wir aber nicht genau. Als hat man ihn, so die Vermutung, aus "Sicherheitsgründen" nicht mehr nach Armenien einreisen lassen.
Mit dieser Information im Rücken sind wir an der Grenze angekommen und unsere Koordinatorin in Armenien saß natürlich auf heißen Kohlen und war besorgt.

Aus dem Iran herauszukommen ist keine Kunst. Im Gegenteil.
Mit einem flüchtigen Blick auf unsere Pässe, welche den hübschen Aufdruck Europäische Union tragen, durften wir passieren ohne dann man auch nur eines unsere Gepäckstücke genauer begutachten wollte. Are you passport?

Die Armenische Grenze war etwas abenteuerlicher.
Meine Begleitung und ich waren die ersten bei der Passkontrolle. Alle anderen waren mit dem Bus die 500 Meter gefahren und dieser wurde unterwegs gefühlte fünf Mal angehalten. Soweit so unverständlich. Da standen wir nun also…armenische Letter die uns wohl vertraut waren um uns herum und ein ersten armenisches "Barev dzez" zauberte mir ein kleines Lächeln auf die Lippen.
Wir reichten dem jungen russischen Austauschgrenzbeamten unsere Pässe und warteten. Und warteten.  Und warteten. Und warteten. Und…
Hmmm...wir hatten wie gesagt die oben berichtete Geschichte im Kopf und wurden ein bisschen nervös. Auch wenn wir, logisch gesehen, keinen Grund sahen warum wir nicht passieren könnten. Nach 15 Minuten bekam meine Begleitung ihren Pass zurück und durfte passieren. Mein Pass wurde aber immer noch skeptisch und äußerst gründlich begutachtet und als dann auch noch der Griff zum Telefon kam…naja…kein angenehmes Gefühl. Aber nachdem der gute Junge nach drei Versuchen endlich jemanden erreichen konnte und ein kurzes Pläuschchen gehalten hatte, bekam ich meinen Stempel und durfte passieren. Der wohl einzige Moment der wirklich nicht angenehm war. Grenzen sind keine schönen Anlagen. Es wird einem das Gefühl vermittelt, dass man verdächtig sei und auch wenn man sicher weiß das meine Grund haben muss, man wird nervös. Ein perfides System.
Aber sie haben uns passieren lassen und alles war in bester Ordnung. Auf den Bus mussten wir drei Stunden warten bis dieser die Grenze passieren konnte.

Zurück in Yerevan hat es sich zum einen so angefühlt, als wäre ich wieder "zu Hause" und zum anderen, dass der Urlaub viel zu kurz war.


Zum Abschluss lässt sich folgendes Festhalten:
Der Iran ist auf jeden Fall eine Reise wert. Das Land ist spannend und so sind die Menschen. Es war unerwartet organisiert und vor allem entwickelt. Was soll ich sagen, meine Erwartungen waren zwar nicht sehr präzise aber einen solchen Grad an Entwicklung und Organisation hatte ich irgendwie nicht erwartet. Ich war aufs angenehmste überrascht.

Die Menschen im Iran sind sehr freundlich und neugierig und wollen immer wissen, was man für eine Meinung über ihr Land hat. Ich glaube, sie sind sich dem Ruf ihres Landes wohl bewusst und wenn sie einmal die Gelegenheit bekommen mit einem Fremden zu sprechen, nutzen sie diese auch um zu zeigen, dass Politik und Privates wohl zwei verschiedene Sachen sind und man ein Land nicht nach ihren Machthabern, sondern nach seinen Einwohnern beurteilen sollte. Eine sehr wichtige, spannende, witzige und erfrischende Erfahrung für mich.

Lasst es Euch gut gehen.

خداحافظ برای اکنون

Sonntag, 30. März 2014

Weißes Intermezzo

Als man mir vom "verrückten März" in Armenien erzählt hat, dachte ich nichts böses dabei.
Heute morgen sah es dann so aus vor unserer Haustür…



Verrückt, was?

Dienstag, 11. März 2014

Khor Virap

Ein sehr schönes und bedeutendes Kloster, irgendwo in der Mitte des Nirgendwo in Armenien ist Khor Virap. Bedeutend sind diese Mauern, weil hier Gregor der Erleuchter für 13 Jahre in einem Loch gefangen gehalten wurde. Jahre später wurde über diesem Loch das Kloster errichtet.





Das ist das Erdloch, in dem Gregor gefangen war. Hier der Blick von unten nach oben.



Des Freiwilligen Dienstes zweiter Teil

Nun sind es beinahe sechs Monate, die ich in Armenien verweilt habe. Das heißt, die Hälfte meines EVS ist fast um. Was nicht heißt, dass ich mich hier häuslich eingerichtet, es mir gemütlich gemacht habe und einem geregelten Tagesablauf nachgehe.

Im Gegenteil. Seit meinem letzten Eintrag hat sich einiges verändert. Ob zum Guten oder Schlechten kann ich noch nicht mal sagen. Es hat sich was verändert. Sagen wir es mal so. 

Der Reihe nach:

Ich wohne und arbeite nun in Yerevan. 
Wie es dazu kam ist eine etwas kompliziertere Geschichte und ich versuche das mal in Kurzform hier aufzulisten.

Ich sollte in Gyumri eine eigene Wohnung bekommen. Meine Koordinatorin hatte eine wirklich schöne Immobilie gefunden; drei Zimmer, neues Bad, große Küche, eigener Garten plus Hollywoodschaukel und ein Klavier. Ich war hin und weg als ich die Räume betrat.
Wir machten gemeinsam mit dem Besitzer einen Termin für meinen Einzug klar und ich habe meiner Gastfamilie davon erzählt und auch gleich meinen Auszugstermin mit bekannt gegeben. Wie es sich in Armenien gehört war der nur zwei Tage später.

Nun hatten meine Gastfamilie und ich aber irgendwie ein kleines Problem, welches wir zwar nach langem Hin und Her lösen konnten, die Stimmung aber etwas frostiger gestaltete. Nichts wirklich Schlimmes und wir konnten das Problem auch nach einiger Zeit lösen, aber dennoch…

Am Vorabend meines Auszuges rief mich meine Koordinatorin dann an und erzählte mir, dass ich nicht am nächsten Tag umziehen könnte, da etwas mit den Wasserrohren nicht in Ordnung sei. Ok, bei -25 Grad kann man sich denken, was da nicht in Ordnung gewesen ist. Da nun aber die Stimmung mit der Familie nicht unbedingt die Beste war, musste ich ausziehen. Nur wohin?
Für ein Wochenende bin ich bei einem befreundeten Freiwilligen aus Amerika untergekommen. Meine Koordinatorin meinte nämlich, bin Sonntag sei die Wohnung bezugsbereit. Ok! Klingt doch gut.
Samstag Abend rief ich dann meine Koordinatorin noch einmal an um die Lage zu checken. Der Check  verlief nicht wie gehofft, denn die Wasserrohre waren immer noch gefroren. Also ein Problem. Die Lösung war für eine Woche, dass ich nach Yerevan in die Wohnung meiner Hostorganisation gezogen bin, mit der Hoffnung schwanger, dass ich in zwei Wochen in die Wohnung einziehen könne. Warum zwei Wochen? Eine Woche in Yerevan und danach war eine Wochen Mid Term Meeting in Gyumri angesagt, für das ich eine Unterkunft hat.

Exkurs: Mid Term Meeting

Wer sich erinnert, oder einfach in dem Blog zurückgeht, bis November, hat bestimmt noch das On-Arrival-Training im Kopf. Also das erste Treffen mit Freiwilligen, bei dem wir alle etwas über die Kaukasusregion an sich, die Menschen und Mentalitäten und wie wir am Besten Projekte gestalten, gelernt haben. Also eine Einführungsveranstaltung in den EVS generell.
Mid Term Meeting ist nun das Treffen zur Halbzeit. Wir sprachen über unsere soweit gemachten Erfahrungen, unsere Projekte und die Zukunft. (Letzteres hat mich ein bisschen überfordert.)

So…das Mid Term Meeting in Gyumri neigte sich dem Ende zu und ich rief meine Koordinatorin erneut an um mich nach dem Status der Wohnung zu erkundigen. 
Die Heizung war nun defekt, die Besitzer müssen eine neue Anlage besorgen, niemand weiß, wie lange das dauert und meine Koordinatorin sucht nach einer neuen Wohnung für mich. Das war die Quintessenz des Telefonats. 

Irgendwie war mir das in diesem Moment ein bisschen zu viel.
Ich war unzufrieden mit der ganzen Situation und nichts lief, wie es laufen sollte. 

Was ist nun das Ergebnis der letzten zwei drei Wochen?
Meine Koordinatorin und ich haben uns darauf geeinigt, das Projekt in Gyumri zu stoppen, da keine Wohnung da ist. Ich bin jetzt in Yerevan auf der Suche nach einer eigenen Wohnung und habe nun neue Projekte. 

Im Büro meiner Gastorganisation geben die Freiwilligen regelmäßig Sprachstunden – meistens Englisch. Und im Moment auch Deutsch. Aber das Unterrichten von Sprachen mit allem Drum und Dran liegt mir nun gar nicht. Was mir aber eher zusagt ist Reden. Also haben wir nun die Sprachstunden in Grammatik und Konversation unterteilt. Ratet, was ich habe.
Nun habe ich die Woche einen Konversationsklub für Deutsch und vier für Englisch. Hinzu kommt noch einmal die Woche ein Culture Club. Und damit noch nicht genug: mit einer Freiwilligen werde ich vielleicht einen Geschichtsclub führen. Mal sehen.

Ich kann nun also sagen, dass der zweite Teil meines Jahres hier angebrochen ist.
Und um ehrlich zu sein bin ich auch nicht wirklich traurig darum.
Es war interessant in Gyumri und in einer armenischen Familie zu leben. Auch die Arbeit im Center war eine Erfahrung, die mich bereichert hat – und wenn es auch nur war, um zu sehen, wie in Armenien gearbeitet wird.

Ich bin gespannt, was die nächsten sechs Monate für mich bereit halten. 




Montag, 17. Februar 2014

Moving to the South

Seit meinem letzten Eintrag hat sich hier einiges getan. Die Stimmung steht auf Motivation und das Wetter in Armenien macht da auch mit. Es ist Frühling und sogar in Gyumri, wo immer noch Schnee liegt, kann man schon die ersten Frühblüher an jeder Ecke kaufen. Aber der Reihe nach.

Am 1. Februar hat uns Thomy verlassen. Er war hier für ein halbes Jahr Freiwilliger und sein Projekt war Februar zu Ende gegangen. Aus diesem Grund waren wir in Yerevan feiern. Es war schon recht merkwürdig, dass man Menschen gegenüber, die man erst vier Monate kennt, solche Gefühle wie Traurigkeit entgegenbringen kann, wenn sie einen verlassen. Das Feiern war schön, wie immer, aber als er dann das Taxi zum Flughafen genommen hat, war die Stimmung auf dem Tiefpunkt. Ich denke mal, dass es deswegen ist, weil wir hier alle im selben Boot sitzen. Ich meine, jeder hat seine Gründe warum er hier ist und das Meistern des Alltags in Armenien schweißt wohl doch ziemlich zusammen. Das "Freiwilligen Universum" ist eine eigenartige Welt. 

Nun ja…aber wie heißt es so schön, wenn eine Tür zugeht, sollte man einen Schlüssel haben um wieder rein zu kommen.

Thomy ist nun also weg, aber als "Ersatz" sind die Polen gekommen. Seit Februar haben wir neue Freiwillige, die auch in Gyumri leben und arbeiten. Also haben wir in Yerevan erstmal ein großes Essen mit allen Freiwilligen und den Damen aus unserer Hostorganisation veranstaltet. Man will sich ja kennen lernen, die ersten Erfahrungen und Gedanken austauschen und so weiter. 
In meinem Center bin ich nun auch nicht mehr alleine, sondern arbeite mit Magda zusammen. Sie hat ein wenig frischen Wind in meine Motivation gebracht, wenn man das so sagen kann. Gemeinsam veranstalten wir nun Englischstunden für die Mitarbeiter des Centers, wir werden in zwei Wochen eine Kochclub beginnen, ein Reiseclub ist auch in Planung und je nach dem, wie das alles läuft und wie es die Zeit zulässt, werden wir vielleicht auch einen Singclub ins Leben rufen. Armenier lieben es zu singen und zu tanzen. Vor allem Kinder und Jugendliche mögen es, sich über die Kunst Ausdruck zu verschaffen. 

Und die Aktivitäten nehmen kein Ende. Vor einer Wochen hatten wir eine Idee für ein Großprojekt. Natürlich ist noch nichts Spruchreif und so, aber die Motivation für das Projekt ist bei vielen sehr hoch. Kurz beschrieben: wir wollen mit allen Freiwilligen, also denen aus Yerevan und Gyumri, für eine Woche in Gyumri Workshops und Seminare für die lokale Jugend gestalten. Thema soll die Stadt und ihre Jugendlichen sein. Wie fühlen sie sich in ihrer Stadt, was verbinden sie mit ihr? Und das sollen sie möglichst künstlerisch umsetzten. Künstlerisch meint hier in Form von Tanz, Bilder, Photos, Videos, Gedichten und Kurzgeschichten. Wenn auch nur die Hälfte von dem klappen wird, was wir im Kopf haben, wird das ne tolle Sache. Und selbst, wenn das Projekt nicht zu Stande kommen sollte, aus welchen Gründen auch immer, habe ich für mich eine tolle Idee daraus behalten. 
Ich möchte mit eine paar Jugendlichen ein Geschichtsprojekt veranstalten. Genaueres ist noch nicht auf dem Papier, aber ich arbeite dran.

Seit gestern bin ich wieder in Yerevan und bleibe hier für eine Woche. Der Grund ist, dass ich letzten Freitag eigentlich in meine Wohnung hätte einziehen können, wegen vereisten Rohren war das aber nicht möglich. Dann hieß es erst, ich könne Sonntag einziehen, aber Samstag sagte man mir dann, dass die Rohre immer noch vereist wären und der Spezialist erst über die Woche kommen kann. Da ich meine Gastfamilie aber nun schon verlassen hatte und wir ein paar Unstimmigkeiten zum Ende hin hatten, war ich in eine ziemliche Zwickmühle geraten. Zurück gehen konnte ich nicht, weil die Stimmung, sagen wir mal, unterkühlt war und in Gyumri war keine Wohnung für mich da. Meine Koordinatorin meinte dann, ich solle für die eine Woche nach Yerevan ziehen. 
Aber auch hier habe ich eine Menge für die Woche. Neben dem updaten dieses Blogs will ich an meinen Ideen für die Workshops arbeiten und auch sonst wird sich einiges finden. Langweilig wird mir sicher nicht. Werde mal der deutschen Bibliothek im Goethe-Institut einen Besuch abstatten. 

Neben dem ganzen oben genannten waren wir aber auch für zwei Tage im Lande unterwegs. Soooo viel von Armenien habe ich ja noch nicht gesehen. Also haben wir uns entschlossen mal für zwei Tage in den Süden des Landes zu fahren. Eine Gegend, die ich auf jeden Fall noch nicht gesehen habe. Samstag früh ging es dann um 8 Uhr los. Und die Stadt war wunderschön. Es war frisch-kalt und die der Sonnenaufgang war einfach perfekt.



Sisian

Mit der Marshurtka ging es dann nach Sisian. Vier Stunden in einem Minibus ist wirklich nicht gemütlich, aber ich habe die Hälfte der Zeit geschlafen. Ist ein Reflex. Kaum setzt sich das Gefährt in Bewegung fallen mir die Augen zu. Aber als wir in Sisian ankamen, wurden wir von einer atemberaubenden Landschaft empfangen. Um die Stadt herum war ein Gürtel aus schneebedeckten Bergen, wie weiße Riesen. 




Die Stadt an sich war eher klein, man kann schon sagen, nichts besonderes, aber sie war eben neu für uns und das hat es spannend gemacht. Erstmal haben wir uns eine Bleibe gesucht und einen Plan gemacht, was wir nun alles sehen wollen. Das Hotel war günstig und gut und der Plan sah vor, dass wir erstmal den Wasserfall aufsuchen, der in nicht all zu weiter Entfernung der Stadt sein sollte. Geplant getan, machten wir uns also auf die Socken. Natürlich haben wir ne Menge Bilder von der Stadt und der Landschaft gemacht. 






Die nicht all zu weite Entfernung entpuppte sich dann aber doch zu einem anderthalbstündigen Fußmarsch. Das war in der Sache nicht schlimm, aber jeder Armenier, den wir nach Richtung und Entfernung gefragt haben, hatte uns versichert, es seien nur noch 10 Minuten, maximal zwei Kilometer. 
Aber der Marsch hat sich gelohnt, halb vereist, mit einem Regenbogen geschmückt haben wir dann den Wasserfall inzwischen kleiner Berge gefunden. 



Auf dem Weg zum Wasserfall sind wir zwei Armeniern begegnet, die sich das Naturschauspiel auch ansehen wollten. Als wir uns dann gemeinsam auf den Rückweg machten, hat uns einer der beiden gefragt, was wir uns denn noch so alles ansehen wollen. In der "Nähe" sollte es das Armenische Stonehenge geben, was wir uns ansehen wollte. Arthur, einer der beiden, hat uns fünf prompt in sein Auto verfrachtet und uns hin gefahren. "In der Nähe" war dann auch ne halbe Stunde fahrt mit dem Auto. 

Steine…viele Steine. Viele alte Steine. Aber imposant war es alle mal.



Arthur hat uns dann noch zu einem verlassenen Kloster gefahren, was gar nicht auf dem Plan stand. Aber das war nicht schlimm, denn eine verlassenes Kloster mitten im Nirgendwo war die Fahrt auf jeden Fall wert.





Nach dem er uns zu guter Letzt dann noch zu einem guten Restaurant gefahren hat und unsere Einladung, zum Essen zu bleiben ausgeschlagen hatte, waren wir mächtig beeindruckt von der Armenischen Gastfreundlichkeit, von der Bereitschaft, Fremden das Land zu zeigen und nichts, rein gar nichts dafür haben zu wollen. 

Nach dem Essen sind wir dann in die einzige Bar am Platz gegangen. Den Abend ausklingen lassen.
Folgendes: wenn man als einziger Mann mit vier Frauen eine armenische Bar betritt, in der sich natürlich nur Männer aufhalten, weil Frauen nicht ausgehen, dann kann man sicher sein, dass das Zentrum der allgemeinen Aufmerksamkeit der Tisch ist, an den man sich setzt. 
An dem Abend hatten wir auch zum ersten Mal ein "Problem" mit einem armenischen Mann. Wahrscheinlich dachte er, er könne sich eine der Damen ausleihen und wurde dann doch etwas physisch. Nicht gewalttätig oder so, aber es hat gereicht. Die Krönung des Abends war dann, dass uns ein weißer Minivan bis zum Hotel gefolgt war und dann tatsächlich zwei der Herren ins Hotel kamen und den Damen wohl einen Besuch abstatten wollten. Die Frau an der Rezeption hat sie aber zum Gehen aufgefordert, die Tür verschlossen und alles war wieder in bester Ordnung, auch wenn ich für die nächste Stunde immer noch ein mulmiges Gefühl im Magen hatte.

Goris und Tatev

Sonntag Morgen sind wir zeitig aus den Federn und haben die 9:30 Marshurtka nach Goris genommen. Alle waren ein bisschen überrascht, dass so viele Menschen auf einmal in dem Bus sitzen. Kein Wunder wenn fünf fremde die Plätze belegen. Mit 22 Mann in einem Bus, der für 18 ausgelegt ist, sind wir dann eine Stunde durch die Landschaft gekurft. In Goris angekommen, haben wir erstmal Kaffee und Frühstück gesucht und gefunden.



Dann habe wir mit einem Taxifahrer gesprochen, wie wir am besten zum Kloster nach Tatev kommen, denn das stand als erstes auf unserer Liste. Zum Glück hatten wir zwei Mädels dabei, die zusammen genommen ein fast vollständiges Russisch sprechen konnten. 
Der Taxifahrer wurde dann für den halben Tag unser Chauffeur. Wir haben einen guten Preis ausgehandelt.

Als erstes ging es zu den "Wings of Tatev". 
Das ist eine Gondelbahn, die einen zu dem Kloster bringt. Der zweite Weg, mit dem Auto, war vereist. War aber nicht schlimm, denn wir wollten eh mit der Gondel fahren. Naja…etwas mehr als fünf Kilometer lang und 320 Meter über dem Erdboden an der höchsten Stelle…wirklich ne tolle Idee. So abenteuerlich das auch war, ein paar Mal war es schon schön, die Augen einfach zu zu machen.




Tatev an sich, das Kloster, war mächtig beeindruckend. Direkt am Abgrund gebaut bot sich uns ein wahnsinniger und ein wenig furchteinflößender Anblick der Natur. 



Das Kloster war das bisher größte Kloster, was ich besucht habe. Wir sind bestimmt eine Stunde in der Anlage rumgelaufen und haben uns alles angesehen, was es zu sehen gab.













Der Taxifahrer hatte auf uns gewartet und wollte uns eigentlich wieder zurück nach Goris bringen. 
Aber er zeigte uns noch ein bisschen mehr von seiner Region. 
Eine kleine Aussichtsplattform, extra für die Touristen angefertigt, damit die Landschaftsbilder auch besonders vorzeigefähig werden…



 die "Devils Bridge"…



 und heilende Quellen. Haben wir natürlich einen kräftigen Schluck von genommen. Man weiß ja nie.


Ok…aus dem Becken haben wir nicht getrunken, das ist nur fürs Baden im Sommer. Soll auch heilen.

Wie ihr lest und seht, war es ereignisreich in den letzten Wochen und ich bin frohen Mutes und hoch motiviert, dass alles, was mir jetzt gerade so im Kopf rum geht auch verwirklicht werden kann.